Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 12.1910

DOI article:
Schneider, Camillo: Über japanische Gartenkunst, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0014
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6

DIE GARTENKUNST.

XII, 1

Es mutet einem seltsam an, was man
im Garten Yasudas sieht. Jede Wegkrüm-
mung, jede Blumenpflanzung jeder Stein
— alles wirkt so regellos, und doch emp-
findet man sehr bald, daß gerade hier in
dieser scheinbaren Wirrheit mehr denn je
die Regel herrscht. Alles hat seinen guten
Grund, aber wir ahnen ihn nur, verstehen
können wir das Warum nicht. Selbst die
Pflöcke an den vorspringenden Rasenecken
sind überall verschiedenartig eingeschla-
gen und angeordnet, was auf Bild 7 (Seite 8)
rechts im Mittelgrund deutlich zu sehen ist.

Alle Einzelheiten sind mit einer Liebe
behandelt, die uns entzückt und die vor
allem davon zeugt, wie vertraut der Ge-
stalter mit seinem Material ist. Die dem
Text dieses Aufsatzes beigefügten Skizzen
Yasudas für das Teehaus, die Tempelchen,
die Pforten usw. kennzeichnen recht gut
die Art und Weise, wie der Japaner ar-
beitet.

Aber wenn wir auch all den Fleiß, die
Liebe, das Verständnis des Gestalters aus
der Anlage herausfühlen, so bleibt uns
das Wesentliche doch fremd: die verbor-
genen Gesetze, die Ideen, welche den
Schöpfer leiteten.

Von diesen eine möglichst deutliche
Anschauung zu erlangen, soll im Folgen-
den versucht werden.

,,A garden in Japan" — so beginnt
Cpnder sein Buch — ,,is a representation
of the scenery of the country, though it
is essentially a Japanese representation."
Er fährt fort: „Favourite rural spots and
famous views serve as models for its com-
position and arrangement. The laws of
natural growth and distribution are closely
Ansicht aus M. Yasudas Teehausgarten auf der I. L. A. in Frankfurt a. M. studied and punctiliously applied in the

Standpunkt 6. management of even the smallcst detail.

The artificial hüls, rocks, lakes, torrent
Fürs erste ist man verwirrt, und es kommt einem beds, and cascades of gardens arc copied from striking
alles ziemlich sinnlos vor. Beginnt man aber sich features in the varied landscape of the country." Der
mit den Einzelheiten zu befreunden, so spricht plötzlich Japaner macht sich also mit den Vorbildern der Natur auf
aus diesen ein uns wohl fremdes, aber so reiches das Innigste vertraut, aber der japanische Garten ist nur
Empfinden für pflanzliche Reize, daß man sich unwill- insoweit eine Wiedergabe der japanischen Naturszenerie
kürlich bemüht, diese melodische Sprache zu verstehen. ,,as it appears to and impresses the Japanese themselves,
Und wenn dann plötzlich eine zierliche Japanerin in in a manner consistent with the limitations of theirarts."
ihrem Heimatsgewand trippelnd im Garten auftaucht. Der Japaner wird bei seiner Gartengestaltung zweifel-
so glaubt man eine Wesensverwandtschaft zwischen los geleitet ,,by a scrupulous attention to aesthetic
ihr und dem Garten zu erfühlen. rules." Conder wiederholt: „A landscape garden in

Freilich, was wir „Garten" nennen, ist das hier Japan is more than a simple representation of natural
nicht, es gleicht auch in keiner Weise einem „Park" — views, it is at the same time, a poetical coneeption."
doch erinnert es mich ein wenig an von Willy Lange Und weiter: „The aesthetic principles governing the
geschaffene Gärten, worauf ich später zurückkommen art are hardly separable from the ethics which inspire
werde. them." „The ideal Japanese garden being therefore,
 
Annotationen