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Die Gartenkunst — 12.1910

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Arntz, Wilhelm: Italienische Renaissance-Gärten, [3]: Florentiner Villen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0066
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58

DIE GARTENKUNST.

XII, 4

Gärten, dem größten, prächtigsten und — letzten flächlichkeiten, das Zeichen des beginnenden Nieder-
monumentalen Werke der Florentiner Gartenkunst. Ob- gangs. Der Prospekt der Hauptachse wird von der
wohl Vasari sie nur flüchtig erwähnt, waren sie zu ihrer Brüstung des sie überquerenden Fahrweges schräg über-
Zeit sicher eine unerhört große Aufgabe. Der gewaltige, schnitten, das Amphitheater liegt nicht eben, wie es
königliche Palazzo Pitti, die Residenz der Herzöge, eigentlich sein müßte und allenfalls aus dem obersten
sollte einen Garten erhalten, der seiner würdig war. Stock des Palastes gesehen, den Anschein hat, sondern
Leider sind die Künstler diesem Auftrag nicht ge- steigt in einem Winkel von 3—411 in der Diagonale (d. h.
wachsen gewesen, waren sich wahrscheinlich auch seiner schräg seitwärts) bergan. Das sind sehr empfindliche
Bedeutung nicht bewußt. Florenz hatte seinen wirk- Störungen. In den Werken der Architektur sind alle
liehen Höhepunkt hinter sich, die Gartenkunst den undeutlichen Abweichungen von der Senkrechten oder
ihren noch nicht erreicht, noch nicht geahnt. Eine archi- Wagrechten unleidlich. Und in der Architektur gibt es
tektonische Einheit zu schaffen, deren machtvollerHöhe- kein Schlampen. Mit unerbittlicher Strenge verlangt sieEr-
punkt der Palazzo gewesen wäre, war freilich ausge- füllung ihrer fundamentalen Forderungen. Noch andere
schlössen. Denn dieser, schon hundert Jahre vorher be- Schwächen sind da. So muß man bei der großen
gönnen (1450, die Bobobi-Gärten 1549), liegt tiefer und Cypressenallee in der Höhe, wo die Verbindung mit
schneidet mit seiner Hofseite schon zu tief in den der Hauptachse sein sollte, jeden Abschluß vermissen.
Berghang ein. Der Garten erstreckt sich über einen Sie läuft geradewegs in die Luft hinein. Durch alle

Wettbewerb Friedhof Bremen-Osterholz: Lageplan des Entwurfs von Architekten P. Bachmann und P. Recht und

Gartenarchitekt H. Foeth, Cöln. (Angekauft.) Maßstab ca. 1: 7500.

Hügelhang und fällt zwar von seinem höchsten Punkt diese Dinge verursachen die Boboligärten dem ernsten

auf ziemlich steilem Rücken senkrecht auf den Palast- Beschauer eine tiefe, schmerzliche Enttäuschung. Denn

hof hin ab, erreicht aber in seitlicher Richtung seine sie sind so reich an Schönheit, daß das bewundernde

größte Ausdehnung und steigt hier noch viel tiefer Auge das Höchste von ihnen verlangen könnte. Ein

hinab. Das ist eine sehr ungünstige Lage. Trotzdem schönes Antlitz wird von einem Flecken tausendmal

hätte man, bei den Geldmitteln jener Zeit, die be- schlimmer entstellt als ein unbedeutendes oderhäßliches,

stehenden Mängel vermeiden können. Einer der größten, Sie sind sehr reich an reizenden Einzelheiten. Et-

oder vielmehr der größte davon, ist, daß die Haupt- was Erhabenes ist die große Cypressenallee, wenn man

achse, welche sich auf dem Palasthofe aufbaut, und die durch sie hinabschreitet zur Vascadell'isolotto. Mächtige

fast senkrecht zu ihr verlaufende Längsachse, die große dunkle Säulen, in ihrem untern Teile durch Lorbeer

Cypressenallee, in keiner organischen Verbindung stehen, und Lentago zu einer dichten Wand verbunden, an

Beide bestehen vollständig getrennt für sich. Und da- den Ecken der Wegübergänge Marmorstatuen und in

durch entgeht dem Ganzen die Straffheit der Organi- der Tiefe das weißschimmerndc Tor der Vasca dell'

sation, die großzügige Einheitlichkeit und damit die isolotto. Diese selbst ist das Herrlichste und hat auf

wahre Größe der Erscheinung. Auch dünkt mir, daß der Welt nicht ihresgleichen. Ein Oval von etwa 120 m

man das Baumdickicht noch nicht ganz beherrschte. Länge und 90 m Querdurchmesser, von scharfge-

Es quillt überall hinein, füllt nur, statt zu bauen, Wege schnittenen Steineichenwänden umschlossen, welche nur

und Plätze scheinen mit Axt und Schere gewalt- von den vier Wegmündungen durchbrochen werden,

sam hineingeschnitten. Dazu kommen grobe Ober- Darinnen, nur von einem wcitlumigen Eisengitter ein-
 
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