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Die Gartenkunst — 14.1912

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Engelhardt, Walter von: Korreferat zum Vortrag des Herrn Stähle-Hildesheim
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Encke, Fritz: Das gärtnerische Ausstellungswesen: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0237
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230

DIE GARTENKUNST.

XIV, 15

Kunst wie in der Religion zur Tagesordnung des Lebens
übergehen; er wird beide Funktionen wieder in den
Dienst des Menschenlebens stellen.

M. H. Wenn ich in meinen Ausführungen als
Korreferent die Gefahren unseres Arbeitslebens in den
Vordergrund gestellt habe, so glaubte ich damit weniger
eine Entgegnung als eine Ergänzung zu dem Vortrag des
Herrn Stähle bringen zu müssen. Wenn ich auch
einzelnen Aussprüchen unseres Redners damit wider-
sprochen habe, so darf ich auch annehmen, daß wir im
Grunde gleicher Ansicht sind. Die Prüfung optimisti-
scher Hoffnungsfreudigkeit halte ich deswegen für
notwendig, weil uns die Begeisterung für die Erfolge
unserer Zeit allzuleicht blind macht für ihre Mängel und
ihre Gefahren.

Aussprüche unseres Redners wie: „Der Herr der
Erde hat wohl nie mehr Anlaß gehabt seines Triumphes
sich zu freuen als heutzutage“ — „Unsere Zeit kennt
an Großartigkeit keine Beispiele in der Geschichte“ —
„Die Last der Erdenschwere ist uns abgenommen“ —
„Ungeahnte Kräfte sind der Natur entnommen, die vor
den Kulturwagen gespannt sind und ihn in rastlosem
Lauf weiterbringen . . .“

Diese Worte will ich in ihrer Schwungkraft nicht
abschwächen. Aber einer Prüfung, einer Ergänzung,
bedürfen auch sie. M. H. Es ist ein Unterschied
zwischen Kultur und Zivilisation. Die ungeahnte Be-
reicherung unserer Handwerkskammern mit neuem
Handwerkszeug ist nur ein Fortschritt der Zivilisation,
und dieser Fortschritt hat freilich viele neue Möglich-
keiten unserer äußeren Lebensführung mit sich ge-
bracht. Es fragt sich aber, o b sie auch und w i e sie
verwirklicht werden und was bei der Kraftersparnis
mit dem gewonnenen Überschuß unternommen wird,
wie die Kultur, der innere Mensch, seine Lebensan-
schauung, seine Stellung zum Leben, seine Lebens-
wertung gefördert wird. D a liegen noch große Auf-
gaben und schwierige Probleme vor uns, die uns nicht
bedingungslos in den begeisterten Siegesruf unseres
Redners einstimmen lassen. Aber trotz der Schwierig-
keiten in diesem Zwiespalt die Schwungkraft des zu-
versichtlichen Optimismus nicht erlahmen zu lassen,
an den einheitlichen Fortschritt des Ganzen zu glauben,
darauf kommt es an. —

Unsere Kunst kann selber kein Ganzes werden —-
sie schließe als dienendes Glied an das Ganze der
Menschheit und ihrem Leben sich an.

Das gärtnerische Ausstellungswesen.

Vortrag von Fr. Encke, kgl. Gartenbaudirektor, Cöln,
gehalten auf dem ersten Deutschen Gärtnertag in Bonn
am ii. Juni 1912.

Die Gegenwart ist eine Zeit der Ausstellungen.
Alle Gebiete der Kunst und Technik zeigen das Be-
dürfnis, die Ergebnisse ihres eifrigen Schaffens in

wirkungsvoller Übersicht der Allgemeinheit vor Augen
zu stellen.

Der lebhafte Wettbewerb, diese Triebfeder des
Fortschrittes, bedient sich umfassender und enger um-
grenzter Ausstellungen, um die Verbesserungen auf
fast allen Schaffensgebieten hinsichtlich des Materiales,
der Form und der Art der Darbietung weitesten Inter-
essentenkreisen vorzuführen. Auch der Gartenbau
und die Gartenkunst haben Teil an dieser Gepflogen-
heit. So hat sich auch hier das Ausstellungswesen in
den letzten Jahrzehnten erfreulich entwickelt. Sind
doch gerade gartenbauliche Erzeugnisse besonders ge-
eignet, in schöner Zusammenstellung zahlreiche Besucher
anzulocken. Dieser Umstand ist den Veranstaltern
größerer Kunst- und Industrieausstellungen wohl be-
kannt und gerne nehmen Sie Veranlassung, ihre Aus-
stellungsgegenstände mit den Erzeugnissen des Garten-
baues freundlich zu umrahmen.

Die Verbindung einer Kunst- oder Gewerbeaus-
stellung mit einer Gartenbauausstellung ist von der
Gärtnerwelt durchaus zu begrüßen, bietet sie ihr doch
eine gute Gelegenheit, ihre Erzeugnisse auch dem Teile
der Bevölkerung zu zeigen, der eine Gartenbauaus-
stellung allein nicht immer beachten würde.

Wer einige Jahrzehnte zurückzublicken vermag,
weiß zur Genüge, wie sehr sich die Ausstellung garten-
baulicher Erzeugnisse und gartenkünstlerischen Schaffens
zu ihrem Vorteil entwickelt hat, sowohl hinsichtlich
dessen, was man vorführt und der Art, wie es zur Dar-
stellung gelangt, als auch in Anbetracht des Zweckes,
den man fördern will. Ich brauche nur daran zu
erinnern, wie die Obstausstellungen aus Zusammen-
stellungen möglichst umfangreicher Sortimente, denen
praktischer Wert nicht beizumessen war, Veranstal-
tungen geworden sind, welche der Verbreitung der für
die verschiedenen Gegenden geeigneten Obstsorten
dienen, dem Publikum die leistungsfähigen Quellen
guter und preiswerter Ware zeigen, dem Produzenten
einen passenden Absatz vermitteln und dem Verkäufer
die Methoden des Versandes und ansprechender Dar-
bietung vorführen.

Ich verweise auf die Blumenausstellungen, in
welchen man heute all die minderwertigen Pflanzen
ausschließt, welche vor einigen Jahrzehnten als Füll-
material jeder Ausstellung anzutreffen waren.

Ich erinnere daran, wie man heute in der Vor-
führung der Erzeugnisse der Gehölz- und Stauden-
schulen neben dem Was das Wie sorgfältig erwägt.

Endlich ist in Gärtnerkreisen die Erkenntnis ge-
wachsen, daß der künstlerische Entwurf zu einem
Garten keine Sache ist, die der Pflanzenzüchter so
nebenbei betreiben kann, sondern daß der Entwerfer
eines Gartens wohl sein pflanzliches Material kennen,
aber in gleichem Maße auch die Fähigkeit künst-
lerischer Raumgestaltung besitzen muß. Deshalb ver-
schwinden die schülerhaften, künstlerisch wie praktisch
wertlosen Gartenpläne mehr und mehr von den Garten-
bauausstellungen. Der Gartengestalter ist bewußt mit
 
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