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Die Gartenkunst — 15.1913

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Nr. 10
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Fuchs, Ludwig F.: Vier alte Gartenanlagen, [1]: Schwetzingen, Schönbusch und die Hofgärten von Veitshöchheim und Würzburg
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144

DIE GARTENKUNST

XV, 10

Denn das ist klar, daß die ausgedehnteren Abmes-
sungen und die Verschiedenheit der Zwecksbestimmung
und der Benutzungsart die Gestaltungsweise nicht un-
wesentlich beeinflussen müssen. Aber der Kern der
Sache, die rhythmische Gestaltung und, wo Architektur
vorhanden, die Angliederung an dieselbe, ja, wenn sie
monumental genug, Unterordnung unter sie, dieses
prinzipielle Moment muß festgehalten werden.

Insofern ist es gut auf alte Beispiele zurückzu-
greifen, um an ihnen zu zeigen, daß der künstlerischen
Gestaltung, wie wir sie heute wieder aufzufassen be-
ginnen, bei selbst großen und größten Parkanlagen
durchaus nichts im Wege steht. Wir sehen dabei, mit
welcher Selbstverständlichkeit die Vertreter einer
höheren künstlerischen Kultur, als die unsere heute
noch ist, an die Aufgabe herangetreten sind, die uns
heute noch so unsicher und ängstlich macht.

Damit soll aber nicht gesagt sein, daß wir an den
traditionellen Anlagen im Landschaftsstil nicht auch
unsere Freude haben können. Bieten sie doch viel
Interessantes und Belehrendes vor allem in der Ver-
wendung von Architektur und Plastik. Es darf keines-
wegs verkannt werden, daß die Vertreter dieser Rich-
tung — ich meine nur Skell, Fürst Pückler-Muskau
und Lenne — in ihrer Weise ebenfalls ganz Hervor-
ragendes geleistet haben. Manche sinnige, beschau-
liche Idylle, manche reizvolle, ja großzügige Perspektive,
die sie geschaffen, ist auf uns gekommen und wird
von uns auf das Liebvollste gepflegt. Viel wird aller-
dings zu ihrer Schönheit das nivellierende Walten der
Natur beigetragen haben, die sich ihre Rechte im
Laufe der Zeit zurückeroberte und an Stelle der
Kopie sich selber setzte. Denn das unterliegt keinem
Zweifel: den Gesetzen der Natur zu folgen ist uns
nicht gegeben; für uns gelten die, welche der schaffen-
den Menschenhand vorgeschrieben sind, und wir sind
just dann am natürlichsten, wenn wir sie am wenigsten
verleugnen. Jedenfalls ist unser Interesse vom künst-
lerischen und historischen Standpunkt aus ein vollauf
berechtigtes und wir genießen die Schönheit unserer
englischen Parks mit vollem Behagen. Sind wir doch
keineswegs so bilderstürmerisch veranlagt, wie deren
Schöpfer. Der beißende Spott und die Verachtung,
welche sie der „veralteten Gartenkunst“ des Barock
und Rokoko entgegenbrachten, sticht nämlich recht
sonderbar ab gegen die überschwengliche Sentimen-
talität, die sie in ihren Gärten auszudrücken und zu
deren Tempel sie dieselben zu machen suchten. Ich
möchte hierzu eine Stelle aus Plirschfelds „Theorie der
Gartenkunst“ (Leipzig 1773) anführen: „Der elende
Geschmack, der in allen europäischen Gärten herrschte,
war selbst in England gegen die Zeit, da Kent er-
schien, aufs höchste gestiegen. Lenotre hatte seine
ermüdende Symmetrie nicht bloß in Frankreich ausge-
breitet; er suchte sie auch in Italien noch mehr ein-
zuführen , und ging selbst nach England, um den
denkenden Briten zu seiner Manier zu verleiten. Hier
pflanzte er die Parks zu St. James und Greenwich, die

Denkmäler seines verirrten Geschmackes sind.“ Von
Kent aber heißt es: Mahommed dachte sich ein Paradies;
Kent aber erschuf manche.“ So kann es uns nicht
wundernehmen, daß man nicht davor zurückschreckte,
die schönen alten Gärten einfach von Grund aus um-
zugestalten oder doch zu vernachlässigen. Erfreulicher-
weise hat man sich häufig damit begnügt, die alten,
stilvollen Anlagen in eine landschaftliche Umgebung
einzufügen, wobei sie nur gewinnen konnten. Oft
mußte dabei allerdings manch gutes Stück des ur-
sprünglichen Teils verloren gehen. Vollkommen er-
halten in seiner ganzen Schönheit ist meines Wissens
einzig und allein der große Garten von Herrenhausen
bei Plannover. Drängt sich da nicht die Frage auf,
ob es sich nicht verlohnte, auch die übrigen Gärten
in ihrer alten Pracht zu erhalten oder wieder erstehen
zu lassen? Handelt es sich doch um Stätten, die zur
Zeit ihres Entstehens für das höchste gehalten wurden,
wessen die Kunst fähig ist, und die heute noch als
vorbildliche, unerreichte Kunstleistungen zu gelten
haben. Geradezu ein Sakrileg ist es doch, daß man
ein großes Stück des Veitshöchheimer Gartens der
Restauration geopfert hat. Verdient nicht das Werk
eines hochgesinnten Mannes, das er im Vereine mit
zahlreichen bedeutenden Künstlern geschaffen hat und
das Millionen verschlang, ebenso erhalten zu werden,
als etwa ein altes Haus? Man bedenke, daß hundert-
undfünfzigjähriger Gartenzauber nicht von heute auf
Morgen entsteht!

Es kann und soll nicht geleugnet werden, daß im
17. und 18. Jahrhundert die Nachahmung, ja Nach-
äffung des Französischen in Deutschland die selt-
samsten Blüten trieb und wirklich beschämend war.
Aber muß man dieser Epoche nicht mildernde Um-
stände zubilligen, wenn man die Zustände in den
deutschen Landen nach der großen Katastrophe des
30jährigen Krieges bedenkt? Es war eben absolut
nichts mehr da, woran man anknüpfen, worauf man
weiterbauen konnte. War es etwa verwunderlich, wenn
man nach dem großen, glücklichen Nachbarlande
hinüberschielte, das unter einem mächtigen, reichbe-
gabten Fürsten seine üppige, auf ununterbrochener
Entwickelung fußende Kultur zu verfeinern und im
größten Stile künstlerisch zu betätigen begonnen?
Man lege sich die Frage vor, ob den wieder sich
regenden, schaffenden Kräften überhaupt ein anderer
Ausweg übrig blieb.

Auch muß dem Einwand, daß, wenn man schon
der Nachahmung huldigte, man wenigstens Bizarrerien
und Kindereien hätte aus dem Spiele lassen sollen,
entgeg-engetreten werden. Wenn die geschmackvollen
Franzosen damaliger Zeit in den Fehler verfielen,
darf es den unbeholfenen Deutschen erst recht nicht
verübelt werden. Ganz abgesehen davon, daß uns
manches bizarr und kindisch erscheint, was in jener
Zeit durchaus ernsthaft genommen wurde. Es sei
darauf hingewiesen, daß die alten Römer, die nach
den Berichten ihrer Schriftsteller zu urteilen, sonst
 
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