Gartenkunst und Kriegerfriedhof.
Das erschütternde weltgeschichtliche Drama,
in dem mit den Millionenheeren des Zaren
kämpfend Deutschland um sein Leben rang, ging
im Osten zu Ende. In endloser Weite dehnen
sich die einst kampfdurdilärmten Gefilde. Eine
beklemmende Schwermut liegt auf den herben,
großen Zügen der polnischen Landschaft, und —
„über dem weiten Gefild schwebt der Gefallenen
Ruhm“. In die Großartigkeit des von seinen
Helden verlassenen Bühnenbildes tritt — der be-
rühmte Gartenarchitekt, sagen wir F. K. Schulze.
Ihn führt die Forderung des Lebens her, für die
Toten zu sorgen und deutscher Mütter Söhnen
und ihren gewesenen Feinden würdige Grab-
stätten zu bereiten.
F. K. Schulze, ich mißtraue Dir! Du erzählst
mit so beneidenswertem Hochgefühl von Deinen
Verdiensten um die „moderne“ Gartenkunst und
von einem Dutzend oder mehr siegreich erledigter
Konkurrenzen — ha! Ich sehe im Geiste Rollen
schönen Tonpapieres sich entfalten, auf denen
Blumen in nie erhörter Pracht erblühen, Wolken
wehen und Sterne funkeln und durch die mit
einemparoxistischen zeichnerischen Lustgekreisch
der Konkurrent, der viel-
leicht nur einfache Sach-
lichkeit gab, totsichet
zur Strecke gebracht
wurde.
Ich fürchte Dich, F. K.
Schulze, wenn Du das
Füllhorn Deines Talen-
tes hier ausschüttest,
und meine schwarzen
Befürchtungen sind
nicht unberechtigt. Stun-
de um Stunde fährt das
bescheidene Wägelchen
durch die polnische
Landschaft, um endlich
an einem Friedhof deut-
scher Kämpfer zu hal-
ten. Zerschossene, arm-
selige Katen liegen in
unmittelbarer Nähe,
kaum ein Lebewesen
zeigt sich, außer den
melancholisch krächzen-
den Krähen unter grau
verhängtem Himmel.
Da — aus Ginster-
gestrüpp hebt sich eine
rundgewölbtePforte aus
— Spalierlatten gezim-
mert, und ein maßstabsloser Platz, auf dem
munter alles mögliche Unkraut wuchert, wird
dem staunenden Wanderer als „Fest- und Weihe-
platz“ vorgestellt, und aus Polens öder, stiller
Landschaft eilt der Geist zu einer der jüngsten,
mehr oder weniger glorreich verlaufenen.
Bundaustellungen, auf denen sämtliche erprobten
Requisiten der höheren Gartenkunst um die Palme
rangen, von der Spalierlatte bis zu der Aus-
nutzung der sinnreichen Form des Quadrates
und schön geschnittener Hecken.
Wer Ohren hat zu hören, wird aus dieser
kleinen offenherzigen Boshaftigkeit zu ver-
nehmen wissen, welche Widerstände einer Lö-
sung des schweren Problems der Anlage von
Kriegerfriedhöfen erwachsen, nicht zuletzt durch
den Fachmann selbst.
Gewiß, der erwähnte Schulze hat seine Gegen-
stücke auch in den verwandten künstlerischen
Berufskreisen. Da ist der Bildhauer, der „aka-
demische“ Bildhauer, der nach allen Vorbildern
der Antike den sterbenden Krieger in schöner
Nacktheit an den unmöglichsten Plätzen tätigt,
und der Architekt, der als ungezähmter Granit-
tragöde „Male“ türmt
und Profile stemmt.
Trotzdem will es aber
scheinen, als erwüchsen
dem zünftigen Garten-
architekten aus seiner
beruflichen Tätigkeit
im Frieden besonders
starke Hemmungen bei
der Gestaltung von Krie-
gergräbern im Felde. Er
ist zweifellos — und man
muß das zu seiner Ent-
schuldigung anführen —
mit vorgefaßten fach-
lichen Meinungen dop-
pelt belastet. Alle Gar-
tenkunst, alle Reminis-
zenzen an Parkanlagen,
an Haus-und Ziergärten
und alle — Gärtnerei
sind aber unangebracht.
Fast das gesamte, ge-
wohnheitsmäßig geübte
Handwerkszeug ist un-
brauchbar bei der vor-
liegenden Aufgabe. Um-
lernen heißt auch,
dreimal unterstrichen,
für den Gartenarchitek-
Polnisches Hochkreuz bei Rawa.
Aufnahme von Dr. Osthelder, z. Zt. Rawa.
Gartenkunst Nr. 2, 1918.
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Das erschütternde weltgeschichtliche Drama,
in dem mit den Millionenheeren des Zaren
kämpfend Deutschland um sein Leben rang, ging
im Osten zu Ende. In endloser Weite dehnen
sich die einst kampfdurdilärmten Gefilde. Eine
beklemmende Schwermut liegt auf den herben,
großen Zügen der polnischen Landschaft, und —
„über dem weiten Gefild schwebt der Gefallenen
Ruhm“. In die Großartigkeit des von seinen
Helden verlassenen Bühnenbildes tritt — der be-
rühmte Gartenarchitekt, sagen wir F. K. Schulze.
Ihn führt die Forderung des Lebens her, für die
Toten zu sorgen und deutscher Mütter Söhnen
und ihren gewesenen Feinden würdige Grab-
stätten zu bereiten.
F. K. Schulze, ich mißtraue Dir! Du erzählst
mit so beneidenswertem Hochgefühl von Deinen
Verdiensten um die „moderne“ Gartenkunst und
von einem Dutzend oder mehr siegreich erledigter
Konkurrenzen — ha! Ich sehe im Geiste Rollen
schönen Tonpapieres sich entfalten, auf denen
Blumen in nie erhörter Pracht erblühen, Wolken
wehen und Sterne funkeln und durch die mit
einemparoxistischen zeichnerischen Lustgekreisch
der Konkurrent, der viel-
leicht nur einfache Sach-
lichkeit gab, totsichet
zur Strecke gebracht
wurde.
Ich fürchte Dich, F. K.
Schulze, wenn Du das
Füllhorn Deines Talen-
tes hier ausschüttest,
und meine schwarzen
Befürchtungen sind
nicht unberechtigt. Stun-
de um Stunde fährt das
bescheidene Wägelchen
durch die polnische
Landschaft, um endlich
an einem Friedhof deut-
scher Kämpfer zu hal-
ten. Zerschossene, arm-
selige Katen liegen in
unmittelbarer Nähe,
kaum ein Lebewesen
zeigt sich, außer den
melancholisch krächzen-
den Krähen unter grau
verhängtem Himmel.
Da — aus Ginster-
gestrüpp hebt sich eine
rundgewölbtePforte aus
— Spalierlatten gezim-
mert, und ein maßstabsloser Platz, auf dem
munter alles mögliche Unkraut wuchert, wird
dem staunenden Wanderer als „Fest- und Weihe-
platz“ vorgestellt, und aus Polens öder, stiller
Landschaft eilt der Geist zu einer der jüngsten,
mehr oder weniger glorreich verlaufenen.
Bundaustellungen, auf denen sämtliche erprobten
Requisiten der höheren Gartenkunst um die Palme
rangen, von der Spalierlatte bis zu der Aus-
nutzung der sinnreichen Form des Quadrates
und schön geschnittener Hecken.
Wer Ohren hat zu hören, wird aus dieser
kleinen offenherzigen Boshaftigkeit zu ver-
nehmen wissen, welche Widerstände einer Lö-
sung des schweren Problems der Anlage von
Kriegerfriedhöfen erwachsen, nicht zuletzt durch
den Fachmann selbst.
Gewiß, der erwähnte Schulze hat seine Gegen-
stücke auch in den verwandten künstlerischen
Berufskreisen. Da ist der Bildhauer, der „aka-
demische“ Bildhauer, der nach allen Vorbildern
der Antike den sterbenden Krieger in schöner
Nacktheit an den unmöglichsten Plätzen tätigt,
und der Architekt, der als ungezähmter Granit-
tragöde „Male“ türmt
und Profile stemmt.
Trotzdem will es aber
scheinen, als erwüchsen
dem zünftigen Garten-
architekten aus seiner
beruflichen Tätigkeit
im Frieden besonders
starke Hemmungen bei
der Gestaltung von Krie-
gergräbern im Felde. Er
ist zweifellos — und man
muß das zu seiner Ent-
schuldigung anführen —
mit vorgefaßten fach-
lichen Meinungen dop-
pelt belastet. Alle Gar-
tenkunst, alle Reminis-
zenzen an Parkanlagen,
an Haus-und Ziergärten
und alle — Gärtnerei
sind aber unangebracht.
Fast das gesamte, ge-
wohnheitsmäßig geübte
Handwerkszeug ist un-
brauchbar bei der vor-
liegenden Aufgabe. Um-
lernen heißt auch,
dreimal unterstrichen,
für den Gartenarchitek-
Polnisches Hochkreuz bei Rawa.
Aufnahme von Dr. Osthelder, z. Zt. Rawa.
Gartenkunst Nr. 2, 1918.
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