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Die Gartenkunst — 31.1918

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Alhberg, Hakon: Der neue südliche Begräbnisplatz von Stockholm
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Taut, Bruno: Die Vererdung: zum Problem des Totenkults
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https://doi.org/10.11588/diglit.22268#0083

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von der Eisenbahn leicht zugänglich sind, auch den
Friedhof von derselben abgrenzen. Das Wegnetz
ist einfach und klar, die Bodenlage in ausreichen-
der Weise berücksichtigend. Kostspielige Spren-
gungen, Auf- und Abtragungen sind vermieden.

Man hatte anfangs bezweifelt, ob es möglich
sein würde, unter Verwirklichung des Grundge-
dankens — Erhaltung des Waldes — das Gelände
auf eine wirtschaftliche Weise für Begräbnis-
zwecke auszunutzen. Die an Ort und Stelle später
gemachten Proben haben indessen gezeigt, daß
man nicht fehlgerechnet hat. Die Genehmigung
des Entwurfs in seiner gegenwärtigenForm durch
die Stadtverordneten-Versammlung der Stadt
Stockholm darf wohl als der endgültige Sieg
dieser Idee betrachtet werden, die für schwe-
dische Friedhofskunst bahnbrechend sein wird.
Es ist für uns Schweden ein erfreuliches Zeichen,

daß ein Vorschlag wie dieser ohne Preisgabe
künstlerischer Forderungen das Fegefeuer der
zuständigen Behörden hat durchlaufen können.
Wir sehen darin eine Kulturleistung, auf die wir
in Zukunft mit Stolz werden hinweisen können.
Die im Zusammenhang mit dem Entwurf fest-
gestellten Einzel-Bestimmungen über Anordnung
und Bepflanzung der Gräber, Aussehen und Er-
richtung der Grabmale usw. lassen uns hoffen,
daß der künstlerische Geist des Entwurfs bei der
Ausführung nicht verpfuscht werden wird. Und
schließlich scheint es, als ob die eifrige Auf-
klärungsarbeit, die auf diesem Gebiet in erster
Linie von dem Friedhofausschuß der Stadt
Stockholm und auch von anderen Körperschaften
und Männern betrieben wurde, auf dem besten
Wege ist, in der schwedischen Öffentlichkeit gute
Früchte zu tragen.

Die Vererdung.

Zum Problem des Totenkults. Von Bruno Taut.

Das Problem des Totenkults tritt heute mehr
als je in den Vordergrund, wo die Zahl der Euro-
päer gering ist, die nicht einen Angehörigen oder
Freund in dem großen Völkermorden verloren
haben. Die Zeiten scheinen heute für eine Durch-
dringung dieses allerverworrensten Problems
unserer Kultur besonders geeignet zu sein.

Die allzugroße Vielfältigkeit der Begriffe und
Anschauungen, welche unsere heutige Kultur
zersplittert und in unzählige, fast unzusammen-
hängende Teilströmungen auflöst, findet ihr
schmerzlichstes Abbild in dem heutigen Bestat-
tungswesen. Wer jene Zerrissenheit im gewohn-
ten Alltagsleben nicht mehr empfindet, dem gehen
die Augen auf, wenn er als Trauernder einen
jener vielen modernen Friedhöfe betritt. Der
nüchterne Eindruck der blanken Kreuze und Grab-
steine, der Gitter, langweiligen Grabanlagen und
ewigen Grabhügel ist zu bekannt und bedarf
keiner Schilderung. Die letzten Jahre brachten
manche Versuche, diesen modernen Friedhof zu
ästhetisieren. Doch auch diese versagten; über
die Verworrenheit der kulturellen Grundanschau-
ungen half keine hervorgeholte altertümliche
Symbolik hinweg. Auch die Mittel der geschmack-
vollen Baukunst eines Grässel genügten nicht.
Man betrachtet wohl mit Anerkennung die Bau-
ten und Hallen der Münchener Friedhöfe, ihre
guten Linien und die geschickte Verwendung der
archaistischen Ornamentik, erschrickt aber, wenn
der Blick auf eine in den Leichenhallen ausge-
stellte Leiche trifft, und wird dann inne, wie
wenig Beziehungen jene Architektur zu der Ge-
walt des Todes hat. Alle jene Bauten erscheinen
dann fast süßlich und die ganze darauf gewandte

Sorgfalt des Künstlers vergeblich. Der gleiche
Eindruck bleibt beim Betreten des Friedhofes
selbst: geschmackvolle Kruzifixe, geschickte, nach
allen Regeln akademischer Parkanlage aufge-
teilte Wege, versteckte Gräber mit Kreuzen und
Steinen in ausgesuchtem Material usw. — alles
das läßt die eine große Frage nach einem Toten-
kult, nach einer Überwindung des Todes unbe-
antwortet.

Diese Frage liegt jenseits aller Ästhetik. Die
Begeisterung, mit welcher man seinerseits für
die Leichenverbrennung kämpfte und noch kämpft,
hatte wohl neben den hygienischen und Gefühls-
momenten ihren tieferen Ursprung darin, daß
man die Kluft zwischen den Beerdigungshand-
lungen und der eigenen Anschauung empfand.
Das wunderbare Wort, „Laßt die Toten ihre
Toten begraben“ und das bei jeder Beerdigung
gesprochene: „Zu Erde sollst du wieder werden!“
deutet darauf, daß der menschliche Leib mit
dem Tode einem anderen Kreise angehört und
sich in die Elemente des allgemeinen Weltge-
schehens der Materie auflöst, wo es für uns
keine individuellen Begriffe mehr gibt. Trotz
dieser von Christus selbst betonten Nichtachtung
des menschlichen Überrestes bettet man die To-
ten in Holzkästen möglichst tief in den die Zerset-
zung hemmenden Kies unterhalb der Muttererde
und kennzeichnet die Stätte durch Hügel und
Steine mit dem „Hier ruht“. — Offenbar liegt
hier ein Zwist zweier Anschauungen vor. Man
gibt der Erde ihr Eigentum zurück, und läßt doch
von dem Gedanken der Konservierung, der Er-
haltung des Leichnams nicht, der in dem Kult der
Ägypter seine innere religiöse Begründung fand

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