räumigen Bauweise Vorschub geleistet. Die
Einführung des großen Mietshauses hat jeden-
falls die bei uns vom Mittelalter her über-
kommene Bauweise des Einfamilienhauses mit
Hof und Garten, wie auch den aus der landes-
fürstlichen Bautätigkeit des 17. und 18. Jahrhun-
derts stammenden Stockwerkbau mit Garten und
mit einer geringen Zahl von Familien in einem
Haus, zurückgedrängt, hat immer größere Teile
der Bevölkerung von Grund und Boden entfrem-
det und der Pflege der eigenen Scholle, der Pflege
des Gartens entwöhnt.
Nicht nur aber, daß die zweite Hälfte des
vergangenen Jahrhunderts die engräumige Bau-
weise im einzelnen Baublock einführte, auch in
der Aufteilung der ganzen Stadt hat der Städte-
bau dieser Zeit den Wert der Durchdringung der
Baugebiete mit größeren Freiflächen verkannt.
Weder die Anordnung von Grünflächen, Parks,
noch von Spiel- und Sportflächen standen auf
dem Programm des Städtebaues jener Zeit. Das
bebaute Gebiet Groß-Berlins zeigt eine Anein-
anderreihung engbebauter Blocks. Der Tiergarten
ist die einzig nennenswerte Freifläche, und auch
er ist nurzumReiten und Promenieren geschaffen.
Von der Freiluflfläche des Tiergartens glaubte
Berlin für Jahrzehnte und für immer neueHun-
dertausende von Menschen zehren zu können.
Bei dem Fehlen von Spiel- und Sportflächen
half sich zwar die Jugend, auch die erwach-
sene Jugend, in unseren Städten selbst, indem
sie auf dem Sande, auf den Wiesen, am
Rande der Stadt ihre Spiele trieb; aber immer
weiter schob die Neubautätigkeit unserer Groß-
städte diese Spielflächen von den innen liegen-
den Baugebieten ab, immer schwerer waren sie
nach des Tages Arbeit, für viele überhaupt nicht
mehr erreichbar. Für Kinder blieb die Straße
schließlich der einzige Aufenthaltsort im Freien.
Nicht übersehen darf indessen werden, daß bei
uns in Deutschland die allgemeine Erkennt-
nis vomWert
des Spiels
und Sports,
zumal im
Freien, für
die körper-
liche Ertüch-
tigung un-
seres Volkes
sehr gering
war, ganz im
Gegensatz
zu anderen
Ländern, wie
England
oder Ameri-
ka. Diese
Länder un-
serer Feinde
sind uns in der Sorge um Freiflächen im Innern
der Städte und insbesondere in der Anlage von
Spielplätzen vorbildlich geworden.
Die gesundheitlichen Nachteile der gedräng-
ten Bauweise im einzelnen Baublock wurden so
durch das Fehlen genügend großer Freiluft- und
Spielflächen in der Anlage der ganzen Stadt er-
heblich verstärkt. Es ist daher nicht zu verwun-
dern, daß der körperliche Zustand unserer Groß-
stadtkinder vieles zu wünschen läßt. Auch die
Militärtauglichkeit ist in unseren Großstädten
gering. So wissen wir, daß nach einer Zählung
von 1913 Berlin von 100 Abgefertigten nur
42,3 Militärtaugliche aufweist, während eine
weiträumig bebaute Stadt wie Bremen (wo un-
gefähr die Hälfte der Einwohner in Einfamilien-
häusern wohnt) 59,8, also beinahe 60 Prozent
und die Landgemeinden durchschnittlich 66,3
Prozent Heerestaugliche stellen.
Seit ein bis zwei Jahrzehnten haben Städte-
bauer, Hygieniker, Sozialpolitiker auf die Schäden
unseres Wohn- und Siedlungswesens hingewie-
sen und zahllose Vorschläge zur Verbesserung
gemacht. Gesellschaften und Vereine zur Ver-
breitung guter Wohnkultur, wie die deutsche
Gartenstadtgesellschaft u. a., haben sich gebildet,
Wettbewerbe wurden ausgeschrieben. Einen
Markstein in der Entwicklung aber bildete der
Wettbewerb um einen Bebauungsplan für Groß-
Berlin und die Städtebau-Ausstellung Berlinl910.
Kurz gesagt gehen unsere heutigen Bestre-
bungen, soweit sie uns hier interessieren, da-
hin: Die Zahl der Stockwerke eines Hauses zu
verringern, die Zahl derFamilien ineinemHause
zu beschränken, dem Einfamilienhaus den Vor-
zug zu geben, dem Haus selbst reichlich Garten-
land anzufügen. Sie gehen weiter dahin, die
Baugebiete mit großen Freiflächen zu durch-
dringen, in ihnen Parks, Spiel- und Sportplätze
anzulegen. Auf ihren Tagungen haben Sie,
die deutsche Gesellschaft für Gartenkunst, sich
wiederholt
schon mit
diesen Fra-
gen befaßt.
Namentlich
war der letz-
te Punkt, die
Anlage von
Grün-, Spiel-
und Sport-
flächen, auf
IhrenTagun-
genvon1916
und 1917
Gegenstand
lebhafter Er-
örterungen.
Der Krieg
und die Not-
Blick in einen Berliner Baublock mit Massen-Miethäusern.
122
Einführung des großen Mietshauses hat jeden-
falls die bei uns vom Mittelalter her über-
kommene Bauweise des Einfamilienhauses mit
Hof und Garten, wie auch den aus der landes-
fürstlichen Bautätigkeit des 17. und 18. Jahrhun-
derts stammenden Stockwerkbau mit Garten und
mit einer geringen Zahl von Familien in einem
Haus, zurückgedrängt, hat immer größere Teile
der Bevölkerung von Grund und Boden entfrem-
det und der Pflege der eigenen Scholle, der Pflege
des Gartens entwöhnt.
Nicht nur aber, daß die zweite Hälfte des
vergangenen Jahrhunderts die engräumige Bau-
weise im einzelnen Baublock einführte, auch in
der Aufteilung der ganzen Stadt hat der Städte-
bau dieser Zeit den Wert der Durchdringung der
Baugebiete mit größeren Freiflächen verkannt.
Weder die Anordnung von Grünflächen, Parks,
noch von Spiel- und Sportflächen standen auf
dem Programm des Städtebaues jener Zeit. Das
bebaute Gebiet Groß-Berlins zeigt eine Anein-
anderreihung engbebauter Blocks. Der Tiergarten
ist die einzig nennenswerte Freifläche, und auch
er ist nurzumReiten und Promenieren geschaffen.
Von der Freiluflfläche des Tiergartens glaubte
Berlin für Jahrzehnte und für immer neueHun-
dertausende von Menschen zehren zu können.
Bei dem Fehlen von Spiel- und Sportflächen
half sich zwar die Jugend, auch die erwach-
sene Jugend, in unseren Städten selbst, indem
sie auf dem Sande, auf den Wiesen, am
Rande der Stadt ihre Spiele trieb; aber immer
weiter schob die Neubautätigkeit unserer Groß-
städte diese Spielflächen von den innen liegen-
den Baugebieten ab, immer schwerer waren sie
nach des Tages Arbeit, für viele überhaupt nicht
mehr erreichbar. Für Kinder blieb die Straße
schließlich der einzige Aufenthaltsort im Freien.
Nicht übersehen darf indessen werden, daß bei
uns in Deutschland die allgemeine Erkennt-
nis vomWert
des Spiels
und Sports,
zumal im
Freien, für
die körper-
liche Ertüch-
tigung un-
seres Volkes
sehr gering
war, ganz im
Gegensatz
zu anderen
Ländern, wie
England
oder Ameri-
ka. Diese
Länder un-
serer Feinde
sind uns in der Sorge um Freiflächen im Innern
der Städte und insbesondere in der Anlage von
Spielplätzen vorbildlich geworden.
Die gesundheitlichen Nachteile der gedräng-
ten Bauweise im einzelnen Baublock wurden so
durch das Fehlen genügend großer Freiluft- und
Spielflächen in der Anlage der ganzen Stadt er-
heblich verstärkt. Es ist daher nicht zu verwun-
dern, daß der körperliche Zustand unserer Groß-
stadtkinder vieles zu wünschen läßt. Auch die
Militärtauglichkeit ist in unseren Großstädten
gering. So wissen wir, daß nach einer Zählung
von 1913 Berlin von 100 Abgefertigten nur
42,3 Militärtaugliche aufweist, während eine
weiträumig bebaute Stadt wie Bremen (wo un-
gefähr die Hälfte der Einwohner in Einfamilien-
häusern wohnt) 59,8, also beinahe 60 Prozent
und die Landgemeinden durchschnittlich 66,3
Prozent Heerestaugliche stellen.
Seit ein bis zwei Jahrzehnten haben Städte-
bauer, Hygieniker, Sozialpolitiker auf die Schäden
unseres Wohn- und Siedlungswesens hingewie-
sen und zahllose Vorschläge zur Verbesserung
gemacht. Gesellschaften und Vereine zur Ver-
breitung guter Wohnkultur, wie die deutsche
Gartenstadtgesellschaft u. a., haben sich gebildet,
Wettbewerbe wurden ausgeschrieben. Einen
Markstein in der Entwicklung aber bildete der
Wettbewerb um einen Bebauungsplan für Groß-
Berlin und die Städtebau-Ausstellung Berlinl910.
Kurz gesagt gehen unsere heutigen Bestre-
bungen, soweit sie uns hier interessieren, da-
hin: Die Zahl der Stockwerke eines Hauses zu
verringern, die Zahl derFamilien ineinemHause
zu beschränken, dem Einfamilienhaus den Vor-
zug zu geben, dem Haus selbst reichlich Garten-
land anzufügen. Sie gehen weiter dahin, die
Baugebiete mit großen Freiflächen zu durch-
dringen, in ihnen Parks, Spiel- und Sportplätze
anzulegen. Auf ihren Tagungen haben Sie,
die deutsche Gesellschaft für Gartenkunst, sich
wiederholt
schon mit
diesen Fra-
gen befaßt.
Namentlich
war der letz-
te Punkt, die
Anlage von
Grün-, Spiel-
und Sport-
flächen, auf
IhrenTagun-
genvon1916
und 1917
Gegenstand
lebhafter Er-
örterungen.
Der Krieg
und die Not-
Blick in einen Berliner Baublock mit Massen-Miethäusern.
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