Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 31.1918

DOI Artikel:
Staehle, K.: Aufgaben der Garten- und Friedhofsverwaltungen während des Kriegs und nach Friedensschluß
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22268#0142

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
bau sich angelegen sein lassen, die etwas Neues
darstellt.

Der Gartenbau ist in Deutschland nicht auf
der Höhe wie etwa in Holland. Dort wirft er
weit höhere Erträge ab. Aber das liegt nicht
allein an den klimatischen Zuständen, dem für
Gemüsekulturen so wichtigen gleichmäßigen
Feuchtigkeitszustand und der Nährkraft des
Bodens, sondern ebenso an der geschickten Zu-
sammenarbeit von Staat und Erzeuger, dem
tüchtigen, geschulten Arbeiterstand und der
Großzügigkeit der Anzuchten. Der Gemüsebau
und auch der Obstbau sind vor dem Krieg bei
uns über den kleingärtnerischen Betrieb meist
nicht hinausgekommen. Viel Arbeitskraft wurde
dabei verzettelt, ein Fortschritt nicht erzielt, die
Höhe der Herstellungskosten erschwerte den
Wettbewerb mit der Auslandsware.

Wir dürfen kein Mittel unversucht lassen,
um höhere Erträge unserem Boden abzuringen
bei geringeren Anbaukosten, und das kann ich
mir nicht besser gelöst denken, als wenn
die Städte Musterbetriebe und Ver-
suchsfelder einrichten, in denen alle in
den Obst- und Gartenbau einschneiden-
den Fragen zur Klärung gebracht werden
können. Die örtlichen Verhältnisse sind so
ausschlaggebend für den Erfolg im Obst- und
Gemüsebau, daß eine gleichmäßige Verteilung
von Musteranlagen über ganz Deutschland er-
forderlich wird. Wenn dann die Maßnahmen der
Regierung mit denen der Kommunen sich ver-
binden, wird gar bald eine wesentliche Hebung
der Erzeugung eintreten können.

Der einzelne Gärtner vermag nicht Zeit und
Geld für oft langwierige Versuche zu opfern.
Genossenschaften werden sich auch so leiht
niht dazu finden. Da ist es die Kommune, die
bahnbrehend mit einem Musterbetrieb Vor-
gehen kann, weil ihr das Kapital zur Verfügung
steht, von dem die Allgemeinheit die Zinsen
erhält. Was dann an Ernten gewonnen wird,
dient den eigenen städtishen Anstalten.

Es gilt also nahzuholen, was vor dem Kriege
zu unser aller Shaden niht geschehen ist. Der
Gartenbau bedarf derselben Fürsorge, wie sie
die Landwirtshaft vor dem Kriege erfahren hat,
deren hoher Stand es uns nur ermögliht hat,
das täglihe Brot im eigenen Lande zu erzeugen.
Genau so gut muß auh der Bedarf an Ge-
müse und Obst vom Inland gedeckt wer-
den können, ohne daß wir allzusehr in die
zum Körner- und Futterbau nötigen Ländereien
eingreifen. Wie wenig wird bei uns noh die
Spalierobstzuht betrieben. An tausenden von
Quadratmetern Wandflähe könnten die edelsten
Frühte reifen, ohne daß andere Einrihtungen
darunter leiden würden. Die bequeme Art, vom
Ausland zu beziehen, hat alljährlich ungeheure
Werte dem Inland entzogen. Das muß anders

werden. Es wäre ein ruhmreiches Blatt in der
Geshihte der Entwicklung der Städte nah dem
Kriege, wenn dort zu lesen wäre von der Unter-
nehmungslust in der Förderung des Gartenbaues
durh die Einrihtung von Muster- und Versuchs-
anlagen in der Gemüse- und Obstzuht.

Ih will niht im einzelnen den Aufbau
einer solhen Mustereinrihtung shildern. Es
kommt — um nur Einiges hervorzuheben —
darauf an, die örtlih bewährten Obst- und Ge-
müsesorten gleihzeitig mit den Neuheiten, die
vielleiht doh noh höhere Erträge abwerfen
können, auszuprobieren, neue Anzuhtverfahren
einzuführen, so z B. künstlihe Bodenerwärmung
im freien Land, Ausnutzung der Anzuhten durch
geeignete Zwishenzuhten, Düngungsversuhe
mit tierishem und künstlihem Dünger, Be-
kämpfung der Shädlinge, Erprobung neuer
Geräte, anshließend daran die Verwertung von
Obst und Gemüse — ein besonderes Gebiet der
weiblihen Betätigung.

Die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlich-
keit muß wahgerufen werden, indem Führungen
und Vorträge stattfinden und Flugblätter zur
Verteilung gelangen. In besonderem Maße wer-
den solhe Musteranlagen auh dazu dienen, daß
Gartenliebhaber, die auf eigener Scholle sih
ansiedeln wollen, aber noh unerfahren sind, im
Gartenbau sih Kenntnisse aneignen können. Die
Gartenverwaltungen müssen von der mehr über
der Bevölkerung sih haltenden Stellung herab-
steigen und mitten hinein ins Volk treten als
treibende Kräfte bei der Förderung der Erzeugung
von Nahrungsstoffen. Wir wissen, was ein Volk
wie das deutshe vermag, wenn es nur geshlossen
zu gemeinsamer Arbeit sih zusammenfindet.
Kaum eine andere Einrihtung als die der städ-
tishen Musterbetriebe dürfte segensreiher
wirken und die dafür nötigen Mittel verzinsen.
Gewiß wird manh einer von uns sagen, so et-
was liegt mir niht, meine Fähigkeiten liegen
auf ganz anderem Gebiet. Aber vergessen wir
niht, daß es gilt, so shnell wie möglih uns
von den furhtbaren Folgen des Krieges zu er-
holen und daß alles andere daneben nihtig
ersheint.

Praktish wird die Erledigung dieser neuen
Berufsgeschäfte so zu denken sein, daß die Leiter
der Gartenverwaltungen tühtige, erfahrene
Gärtner im Obst- und Gemüsebau einstellen.
Es wäre geradezu ein Unding, wenn von uns
verlangt würde, daß wir in jedem einzelnen Fall
die Ausführung der Arbeitenüberwahenkönnten.
Dazu gesellen sih zu viele Arbeiten anderer
Art in unserem Berufe. Aber die grundsätz-
lichen Angelegenheiten und der Aufbau der
Einrihtung müssen von uns fest in die Hand
genommen werden.

137
 
Annotationen