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Die Gartenkunst — 36-37.1923/​1924

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Schneider, Ernst: Das pr. Gesetz betr. Erhaltung des Baumbestandes in der Umgebung von Großstädten pp. seine Vorzüge und Mängel
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https://doi.org/10.11588/diglit.58970#0073
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Gerade weil heute und in den kommenden Jahren
Neupflanzungen mit besonders hohen Kosten ver-
knüpft sind, also das ausnutzbare Vorhandensein
von günstigen Geländeformationen, Bachläufen, Baum-
beständen, Buschwerk, wilden Hecken, Knicks für
die späteren Grünflächen von Bedeutung ist, weil
ferner die schönsten natürlichen Landschaftseigen-
heiten oder Pflanzenbestände vom berufsmäßigen
Städtebauer nicht immer genügend gewürdigt
werden, muß die Mitwirkung des Gartenbeamten
und Gartenfachmannes in Anspruch genommen
werden, damit, ehe es zu spät ist, alles Brauchbare
erhalten und berücksichtigt wird. Die Gesellschaft
sollte deshalb den Städtetag auf die Wichtigkeit
der Mitarbeit des Gartenarchitekten bei der Auf-
stellung von Bebauungsplänen erneut hinweisen.
Das Bedürfnis für das Gesetz war besonders
nach Erlaß des Wohnungsgesetzes vom 29. März 1918
dringlich geworden, da auf Grund des letzteren
zwar Gartenanlagen als Freiplätze angewiesen und
durch Fluchtlinienfestsetzungen vor Bebauung ge-
schützt, nicht aber die Vernichtung dafür geeigneten
Geländes, insbesondere ■ ihrer Baumbestände ge-
hindert werden konnte.
Mein Wirkungskreis ist in dieser Beziehung be-
sonders lehrreich: DiemalerischeWirkung desSchloß-
teichs im Stadiinnern gründet sich zum großen Teil
auf alte Baumgruppen auf nicht städtischem Ge-
lände. Nach außen hin konnte sich die Stadt
lange Zeit wegen des Festungsgürtels nicht gleich-
mäßig, sondern nur in einzelnen Vororten entwickeln.
Dadurch blieben große Freiflächen zwischen den
Wohngebieten liegen. Diese Freiflächen in Ver-
bindung mit der Entfestigung der Stadt geben die
Möglichkeit einer zukunftsreichen Planung, zumal
die durch die Zeitverhältnisse gehemmte Bautätigkeit
überstürzte Maßnahmen verhütet. Vorhandene Grün-
anlagen, Glacis, Teiche, malerische Schluchten, kleine
Bachläufe in breiten Wiesengründen ermöglichen
ein Netz von Grünstreifen, die aus dem Innern der
Stadt hinausführen und zusammenhängende große
Freiflächen zu einem einheitlichen Parksystem ver-
binden, wobei die im Bebauungsplan festgelegten
Kleingarten-Daueranlagen eine wesentliche Rolle
spielen.*)
Ist es gelungen, alle erhaltungswichtigen Bestände
und Grünflächen unter Schutz zu stellen, dann be-
ginnt die Schutzfrist. „Alle Maßnahmen nun, die
eine Änderung des Holzbestandes, der behördlich
geschützten Baumbestände und Grünflächen herbei-
führen, bedürfen der Genehmigung. Der Begriff
„Maßnahmen“ ist im weitesten Sinne gemeint. Es
sollen nicht nur die Rodung eines Waldes, sondern
auch bloßes Schlagen von Stämmen, Ausästen, Be-
seitigung des Unterholzes, ja auch mittelbare Maß-
nahmen, wie Vorflutveränderungen, die auf den
Baumbestand von Einfluß sind, betroffen werden.
Genehmigungsbehörde ist der Regierungspräsident.
Sofern es sich lediglich um einzelne Baumgruppen
oder Alleen handelt, kann er in Landkreisen den
Landrat, in Stadtkreisen die Ortspolizeibehörde für
die Genehmigung bevollmächtigen. Vor Erteilung
der Genehmigung sind nach Möglichkeit die be-
teiligten Gemeinden und Kreise zu hören“.
Die Ortspolizei wird beim besten Willen der
Unterstützung von Sachverständigen nicht entraten
können. Sie wird auf die Hilfe von Forstbeamten
*) Im Saale ausgehängfe Pläne der Stadt Königsberg und
Entwürfe des Referenten erläuterten dessen Hinweise.

und Heimatschutzvereinigungen verwiesen, in den
Städten aber vorzugsweise auf die Begutachtung
durch den Gartenfachmann angewiesen sein. Es
muß darauf hingewirkt werden, daß dies keine frei-
willige Entschließung der Polizei bleibt, sondern
eine selbstverständliche Pflicht wird, und die Ge-
meinden müssen . die Gartenämter mit der Wahr-
nehmung ihrer Interessen betrauen. Es ist bedauer-
lich, daß das Gesetz diesen Weg nicht ausdrücklich
betont hat.
Die Durchführung des Gesetzes wird durch Be-
stimmungen überdie Befreiungvon derGenehmigungs-
pflicht sehr erschwert, und die Vorschrift einer an-
gemessenen Entschädigung dürfte sie in manchen
Fällen ganz verhindern. „Baumbestände, die nicht
nach einem Wirtschaftsplan betriebene Waldbestände
sind, bedürfen stets der Genehmigung“; weiter
„Holznutzungen geringeren Umfanges, die in der
eigenen Hauswirtschaft des Eigentümers gebraucht
werden. sind nicht genehmigungspflichtig“. Dieser
Satz denkt zweifellos nur an Waldbesitzer, wie
überhaupt die einseitige Mitarbeit von Forstleuten
an dem Gesetz nicht zu verkennen ist. Dem
Waldbesitzer kann das Recht zur Versorgung des
eigenen Hausstandes nicht versagt werden, wenn
die Entnahme nicht über diese Zwecke hinausgeht.
Aber auch der Besitzer in der Stadt kann diesen
Ausweg benutzen, den einzigen schönen Baum
seines Anwesens zu fällen, weil er ihn als Brenn-
holz braucht. Hier müßte unbedingt eine Ver-?
schärfung eintreten.
Um die städtischen Gartenverwaltungen selbst
vor den hier möglichen polizeilichen Weiterungen
zu schützen, werden sie in einem besonderen An-
träge an den Regierungspräsidenten das Fällen von
Bäumen, Lichten von Alleen, Durchforstungen usw.
als zusammenhängende Maßnahmen eines einheit-
lichen Wirtschaftsplans begründen müssen, die der
Einholung einer polizeilichen Genehmigung im
Einzelnen nicht bedürfen.
Befreit von der Genehmigungspflicht sind
Holzungen in Waldbeständen, wenn sie nach einem
vom Regierungspräsidenten genehmigten Wirtschafts-
plane ausgeführt werden. „Bei diesem Wirtschafts-
plan sind die Grundsätze einer pfleglichen Forst-
wirtschaft, die Interessen des Waldbesitzers und
des Gemeinwohls tunlichst zu beachten. Dabei
sind nach Möglichkeit die beteiligten Kreise und
Gemeinden und ein Forstsachyerständiger zy
hören“. Eine recht verzwickte Sache! Wenn der
Forstsachverständige Anhänger des Kahlschlag-
betriebes ist, dann kann er einem Wirtschaftsplane
zustimmen, der selbst im Schutzbezirk den voll-
ständigen Abtrieb einheitlicher schlagreifer Bestände
vorsieht. Für die geschützten Waldbestände muß
unbedingt gefordert werden, daß eine Wirtschafts-
form im Sinne des Däuerwaldbetriebes eingeführt
wird und neben der ständigen Erhaltung von Ober-
holz natürliche Verjüngung oder Unterbaue^
der Bestände gesichert wird. Bei den Gemeinden
erwächst uns hier die dankbare Aufgabe, auf die
Umstellung der Forstbetriebe für solche Bezirke
hinzuweisen.
Bedenklich ist ferner, daß Maßnahmen zur Auf-
forstung schlecht bestandener Flächen von der Ge-
nehmigung befreit sind. In waldarmen Gegenden
kann auch ein schlechter, kümmerlicher Waldbestand
der einzige Erholungsort für den Städter sein. Die
Genehmigung ist ferner nicht erforderlich beilandes-,
 
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