Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gensel, Julius; Preller, Friedrich [Ill.]
Friedrich Preller d. Ä. — Künstler-Monographien, Band 69: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1904

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74630#0044
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
38


Abb. 36. Studie sür das Wieland-Zimmer. (Zu Seite 53.)

ihm sein Beschützer Goethe an sich erfahren hatte: die Gestalten der Odyssee, die noch
in Ortsbezeichnungen und Sagen spuken, gewannen in dieser Umgebung Leben. „Ich
gestehe," sagt Goethe, „daß es mir aufhörte, ein Gedicht zu sein, es schien die Natur
selbst." So wurde auch Prellers Einbildungskraft reich befruchtet, und seit dieser Zeit
ließ ihn der homerische Sagenkreis nicht wieder los.
Ins Sabiner Gebirge zurückgekehrt, schreibt er am 27. August an Goethe, um
ihm für die inzwischen eingelaufene „frohe Botschaft" seines verlängerten Aufenthalts
in Italien zu danken. Sie erfreute ihn um so mehr, als er schon an die Abreise
gedacht Hatte „und so recht fühlte, wie hart es dem Künstler wird, dieses geliebte
schöne Land vielleicht für immer verlassen zu müssen". Nun waren ihm noch sieben,
acht Monate gegönnt.
In demselben Herbst aber traf ihn ein erschütterndes Erlebnis: in seinen Armen
starb zu Rom am 28. Oktober nach kurzer Krankheit Goethes Sohn. Am 18. Sep-
tember Hatte Preller von Olevano aus seiner Braut geschrieben, August von Goethe
und Eckermann würden in Rom erwartet. Letzterer war jedoch von Genua zurück-
gereist, Goethe kam allein über Neapel. Prellers ausführlicher Bericht ist bei Roquette
(S. 78 ff.), allerdings mit starker Umarbeitung, wiedergegeben, ich wiederhole nur die
Hauptsachen. „Ich hatte große Freude, ihm als Führer zur Seite zu sein, und
konnte mich nicht satt sehen, da er große Ähnlichkeit mit dem Vater Hatte ... Er
war ebenso liebenswürdig wie schön." Sie Waren sehr viel zusammen, öfters mit den
jungen Künstlern, oft auch bei Kestner. Zu diesem kam der Gast eines Abends, an
dem er Thorwaldsen kennen lernen sollte, ungewöhnlich spät, etwas bleich; er meinte,
er habe sich wohl in S. Pietro erkältet. Er erzählte dann aber sehr lebhaft von
Weimar, Thorwaldsen war entzückt und bat ihn um eine Sitzung für ein Reliefbildnis.
Kestner schlug für den nächsten Tag einen Erholungsausflug nach Albano vor. Dieser
wurde ausgeführt, der Gast kam jedoch schwer fieberkrank nach Rom zurück. Preller
wachte die Nacht bei ihm und holte früh den Arzt, der eine Hautkrankheit in Aus-
sicht stellte. Für die zweite
Nacht teilte Meyer, der
Tür an Tür mit dem Kran-
ken wohnte, die Nachtwache
mit ihm. Gegen ein Uhr
Hatte sich Preller, da die
Fieberunruhe nachließ, auf
zwei Stühle gelegt, bald
wurde er jedoch von Meyer
wieder geweckt: ich glaube,
Goethe ist sehr krank, sollen
wir nicht den Arzt rufen ?
„Als ich an sein Bett treten
wollte," berichtet Preller
weiter, „sprang er auf und
umklammerte mich, daß ich
glaubte erdrückt zu werden.
Wir Hatten beide Mühe, ihn
ins Bett zurückzubringen.
Ich legte ihm eben den Kopf
aufs Kissen, als er die
Augen hoch aufschlug und
einen tiefen Atemzug tat.
Es war der letzte gewesen."
Aus dem Munde des eiligst
herbeigerufenen Arztes Hör-
ten sie nur das furchtbare
 
Annotationen