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Gerhard, Eduard [Hrsg.]
Apulische Vasenbilder des Königlichen Museums zu Berlin — Berlin, 1845

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https://doi.org/10.11588/diglit.3830#0012
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17

TAFEL XI. HERAKLES UND HESIONE, URTHEIL DES PARIS.

18

um dessen Leichnam im äginetischen Giebelfeld des Herakles Kampf mit Laomedon sich
bewegt (7); andernfalls haben wir von den Söhnen Laomedon's, deren ältester Tithonos
geraubt war, unter Lampon, Klytios, Hiketaon(8) zu wählen, und werden Gründe finden
für den auf solarischen Dienst bezüglichsten Namen, also für Lampon, uns zu entscheiden.
Diese Gründe ergeben sich aus der zweiten Jünglingsfigur, in der am natürlichsten ein Bru-
der des Vorigen vorausgesetzt wird. Es ist die Rede von einem ganz ähnlich bekleideten,
auch mit dem Wehrgehenk entsprechend umgürteten, Jüngling, der in nachlässiger Stel-
lung, die Beine gekreuzt, seine Rechte, wie bei bekannten Apollobildern (9), über das Haupt
legt, während er linkerseits einen Stab fasst, der seine Achsel stützt. Man könnte meinen,
als solle in dieser schönen Figur apollinischen Ausdrucks Apollo selbst angedeutet sein,
der etwa in sterblicher Verkleidung unter den von ihm begünstigten Troern weilt; hiebei
würde ein Hirtenstab nicht unpassend sein(10), das umgegürtete Schwert jedoch mit der
üblichen Tracht Apollo's sich nicht wohl vereinigen lassen ("). Eher könnte Anchises ge-
meint sein(12), dessen Abkunft von Kapys, Laomedon's leiblichem Vetter, der Zeitfolge
nicht widerspricht und dessen Verhältniss zu Aphrodite mit diesem Krieger zärtlichen An-
sehns wohl stimmt; ungleich näher jedoch liegt es uns, den von Eos geraubten Sohn Lao-
medon's, Tithonos, hier zu erkennen, dessen Entführung (13) dem Künstler wohl erlaubt
war etwas später zu setzen als wir, der frühen Schönheit des Knaben wegen, es etwa
voraussetzen mochten. Als Liebling der Lichtgöttin wird dieser durch apollinische Hal-
tung seines Hauptes vorzüglich passend bezeichnet, und es stimmt dann um so besser, dass
apollinischer Götterschutz auch in den Lorberstauden sich kund gibt, die zwischen Titho-
nos und Lampon, wie auch zwischen Laomedon und Herakles, hier sich finden.

Wir gehen zur linken Hälfte des Bildes über, wo hinter Herakles noch drei andre
Figuren folgen. Der Gruppe Hesione's, die von Telamon noch gefesselt geführt wird, geht
eine noch unerwachsene Figur voran, deren Bekleidung und Haltung eher einen Knaben
als ein Mädchen verräth. Bekränzt und mit einem Halsband geschmückt, wie es eigent-
lich nur der weiblichen Tracht zukommt, aber auch dem Eros oft zugetheilt wird(14),
mag Podarkes gemeint sein, Laomedons jüngster Sohn, der Hesionen späterhin durch
Entäusserung ihres Schleiers sowohl die Freiheit als auch den Namen des Losgekauften,
„Priamos" (15), verdanken sollte. Hiemit stimmt die nach Hesione gerichtete, aber mit um-
gewandtem Blick nach Herakles und Laomedon schauende Stellung der gedachten Figur
wohl überein; ganz wie sein älterer Bruder an Laomedon's Seite, ist auch der jüngste der
Brüder, Podarkes, zum Rettungsfeste Hesione's bekränzt, wobei ihm denn auch, zumal nach
weichlichem asiatischem Brauch, ein schmückendes Halsband wohl zugetheilt werden
konnte. Hesione selbst, die nur eben dem Tod entgangen ist, tritt um so schlichter auf:
bei langer Kleidung verschleiert und unbeschuht, nur dass eine breite Gürtung dem Opfer-
schmuck angehören mag, in welchem sie zur Sühnung des Meergottes ausgesetzt wurde;
durchaus entblösst und auf dem Rücken zusammengebunden sind ihre Arme, die nun dem
beglückten Vater zur Lösung der Fesseln dargeboten werden sollen. Das Ende dieser Fes-
seln hält mit leichter Hand Telamon, ihr Befreier zugleich mit Herakles und künftig ihr
Gatte; durch Bekränzung dem heiteren Eindruck des Ganzen sich verknüpfend, mit einer
Chlamys nur leicht bekleidet, ist er als wehrhafter Held durch Wehrgehenk und zwei
Speere bezeichnet.

So spricht dieses ganze Bild die nach blutigem Kampf neu begründete Ruhe des
troischen Landes aus; auch an den Wänden des Königshauses, in welchem wir uns den
Schauplatz zu denken haben, zeugen die oberwärts in diesem Bilde vertheilten Waffen da-
für: Schild und Pileus, Köcher und Wehrgehenk, neben den Beinschienen aber auch eine
friedliche Opferschale.

Von dieser oberen Darstellung ist durch eine schmale Binde von Thierfiguren, lau-
fenden Sphinxen, Greifen, Chimären, Löwen und Rehen, deren eines als Seltenheit dieses

(?) Oikles: Apollod. II, 6, 4. Müller Handb. S. 68. Ger-
hard Gypsabgüsse S. 19.

(8) Apollod. III, 12, 3: rexvot natdag (iev Tidmvov, AäyL-
nwa, KXvtiov, 'Ixstciopci, nodäQxrjV.

(9) Allbekannt am Apollino zu Florenz und andern Apollo-
statuen: Müller Denkm. II, 126—129.

(10) In ähnlicher Weise auf einen Stab gestützt scheint
Apoll auf etruskischen Spiegeln sich vorzufinden (Gerhard Etr.
Sp. I, 75 „Thalna"): Apollo Nomios, wie bei Admet.

(!') Alte Kultusbilder des bewaffneten Apollo sind hier
nicht vergleichbar; eher liesse sich sagen, es sei Apollo's frü-
here Dienstbarkeit bei Laomedon (Hom. II. XXI, 444. Heyne
Apollod. p. 157) dadurch angedeutet, dass er gleich dessen Söh-
nen bekleidet und bewaffnet (slxaö&slg äv&Qwnm: Apollod. II,
5, 9) bei ihm verweile.

(12) Otto Jahn's mündlich geäusserte Vermuthung. Kapys,
des Anchises Vater: Apollod. III, 12, 2.

(13) Apollod. III, 12, 4: Ti&covov [isv ovv "Hcog aqnd-

Verzierungsstyls auch geflügelt sich findet, die untere Reihe getrennt, in welcher ein spä-
ter fallender troischer Mythos, der uns noch mehrmals beschäftigen wird (XHI. XIV), das
vielgefeierte Urtheil des Paris, dargestellt ist. Durch einen apfelreichen Baum geson-
dert, stehen in Mitten dieses Bildes Hermes und Paris einander gegenüber; der Götter-
bote mit Chlamys, Petasus und hohen Fussriemen versehen, linkerseits hoch auftretend, die
linke Hand auf die Windungen seines Heroldstabes gelehnt, und sein Gespräch mit lebendi-
ger Fingergeberde begleitend; Paris in reicher asiatischer Tracht, kurzem Chiton mit brei-
tem Gürtel, Kreuzbändern und langen Aermeln, auch einer Chlamys darüber, ferner mit phry-
gischer Mütze, hohen Fussriemen und zwei Jagdspeeren, die er mit beiden Händen fasst.
Hinter ihm sitzt Aphrodite, vollständig bekleidet, mit Halsband, Ball (16) und Sonnen-
schirm versehen; neben ihr steht Eros, geschmückt an Stirn, Hals und Armen, in der
Rechten einen Kranz haltend, während seine Linke die Schulter der schönen Mutter fasst.
Ihr gegenüber steht auf dieser Seite noch ein hoch auftretender, leichtbekleideter und be-
kränzter Jüngling, welcher mystische Attribute, einen Kornstengel und ein Diptychon, hält
und mehr der allgemeinen Bestimmung ähnlicher Gefässe als der Bedeutung des hier vor-
gestellten Mythos anzugehören scheint, es sei denn dass man auch ohne thierische Andeu-
tung und ohne entscheidende Attribute ihn für Pan halten wollte, der Aphroditen auf ähn-
lichen Vasenbildern auch sonst beigesellt ist (17).

Die beiden anderen Göttinnen, welche den Richterspruch des Paris erwarten, sind
hinter Hermes linkerseits vom Beschauer dargestellt. Zuerst Athene, sitzend, mit Chiton,
Aegis und Helm bekleidet, an Hals und Armen geschmückt, in der Linken den Speer, in
der Rechten ein Wehrgehenk haltend; neben ihr liegt das Schild. Weiter zur Linken des
Beschauers steht Here vor ihr, in einem so dünnen Untergewand, dass ihre rechte Seite
dem ersten Anblick entblösst erscheint, übrigens in einen Peplos gehüllt, der zugleich als
Schleier das Hinterhaupt bedeckt. Stirn, Hals und Arme sind geschmückt, ihre Linke mit
einem gleichfalls geschmückten Scepter versehen, ihre Rechte in die Seite gestemmt. Hin-
ter ihr, am äussersten linken Ende der Darstellung, sitzt endlich noch eine reichgeschmückte,
kurzgekleidete, mit Kreuzband und Jagdstiefeln versehene, geflügelte Frau. Da weder Han-
dlung noch Attribute, mit Ausnahme eines Balsamfläschchens in ihrer Rechten, ihre Bedeu-
tung näher bezeichnen, so erneut sich hier die bereits schon mehrfach berührte Frage, ob
in ähnlichen Flügelgestalten eine Götterbotin oder eine Göttin der Einweihungen, ob Iris
oder ob etwa Telete zu erkennen sei. Die letztere Annahme wird durch die gedachte
Nebenfigur eines Pan oder Eingeweihten begünstigt, die am entgegengesetzten Ende des
Bildes dieser Flügelgestalt symmetrisch gegenübersteht (18); hiezu kommt, dass zum Ver-
ständniss des dargestellten Mythos Iris in Beisein des Hermes durchaus entbehrlich, ob-
wohl im Gefolge Hera's, deren Brautbett sie rüstet (I9), auf einem Hochzeitsbild wie das
unsrige, nicht schlechthin unzulässig ist.

Binden, Spiegel und Kränze sind in dem oberen Raum dieser erotischen Darstellung,
dem Waffenschmuck im höheren Bilde entsprechend, aufgehängt. Am Hals eben dieser
Seite befindet sich sitzend ein mystischer Eros, auf der Kehrseite ein geschmückter Frauen-
kopf, beide auf Blumenkelchen.

Weniger ist von den beiden bildlichen Darstellungen der Kehrseite zu sagen, welche
durch obengedachte, in der Mitte ringsumlaufende, Thierfiguren von einander getrennt, durch-
aus hochzeitlichen und mystischen Inhalts sind. Als Mittelgruppe der oberen Reihe erscheint
eine sitzende Frau, des Kranzes und der Binde gewärtig, die ein herabschwebender Eros
ihr entgegenträgt. Weiter rechts ist ein Reinigungsbecken bemerklich, an welches eine
ihrer Gefährtinnen gelehnt ist. Frauen, welche von Jünglingen Kränze empfangen, und
Jünglinge, denen manches mystische Geräth (Binde, Leiter, Spiegel) von Frauen gereicht
wird, bilden den übrigen Inhalt jenes in üblicher Weise apulischer Gefässe reich geschmück-
ten Gegenbildes.

caaa ... Cf. Hom. H. Ven. 219 ff. Schol. Hom. II. III, 151.
XI, 1. Schol. Lycophr. 18.

(W) Gerhard Mysterienbilder Taf. V, VII und sonst.

(is) Apollod. II, 6, 4: mTTQadxoiJbsvov (rov üoddQxov) r^v
xccMtttqkP äcpekoftevii rrjg xscpcdijg ävcidcoxsv, ödsv IIoddQxrjg
Ugiccpog exl^dij. Hesione mit dem phrygisch bekleideten Kna-
ben vor Herakles stehend, auf einem verstümmelten pompejani-
schen Wandgemälde: Mus. Borb. IV, 32.

(16) Dieser an einem Band hangende Ball könnte auch für

einen Spiegelbehälter gelten, wären nicht Spiegel ohne Griffe
auf diesen Vasenbildern ungewöhnlich und wäre nicht das daran
hangende Band alsdann noch auffallender.

(17 ) Pan und Aphrodite: einander gegenübergestellt auf bei-
den Seiten eines apulischen Kantharos meines Besitzes. Vgl.
oben Taf. VI, S. 7, 6.

(18) Pan und Telete: als Nebenfiguren verbunden am Hekate-
bild zu Cattaio (üeber Venusidole: Berl. Akad. 1843, Taf. V, 1).

(») Iris hochzeitlich: Theoer. XVII, 134.

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