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Gerhard, Eduard [Editor]
Etruskische Spiegel (Band 4) — Berlin, 1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.5025#0193
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TAFEL CDVII. CDVIII.

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der Vorstellung nachzugehen, welche der etruskische Bildner, der Ueberlieferung grie-
chischer Sagen mehr oder minder getreu, in diesem Bilde verwirklichen wollte. Die
allbekannte etruskische Verkrüppelung griechischer Namen darf uns das Wagstück recht-
fertigen , im Namen Sieparis die Sappho(1) gemeint zu glauben, deren berühmtes und
viel bespötteltes Liebesverhältniss zu Phaon(2) neben der sicheren Namensinschrift des
schönen Jünglings kaum entbehrt werden kann. Jenen Phaon, einen nur durch zu-
fällige Gunst Aphroditens zu Schönheit und Bildung gelangten Fährmann (3), hier mit
der Kithar der Palaestriten versehen zu finden kann als Andeutung in sich gekehrten
Wohlbehagens (4) nicht weiter befremden, dagegen es auffällig bleibt, dass Sappho,
welche wir nach jener anlautenden Beischrift hier zu erkennen versuchen, durch kein
Abzeichen ihrer gesangreichen Dichtungen uns vorgeführt ist. Aber nicht Glanz und
Ruhm der hochgefeierten Dichterin, vielmehr die schmerzlichen Täuschungen ihres Le-
bensganges sollten, wie es scheint, in unserem Bilde ausgedrückt werden; selbst eine
äussere Andeutung dafür lässt vielleicht darin sich finden, dass die Bekränzung ihr
fehlt mit welcher Phaon und Rhodope geschmückt sind. Wie nun die aus Herodot
und Alhenaeus wohlbekannte Naukratische Buhlerin Rhodopis(5) in Berührung mit Phaon
und Sappho treten konnte, unterliegt anderen Schwierigkeiten, die wir nicht anders
als durch die Annahme zu lösen wissen, dass unser Bildner statt mit Herodot der Rho-
dopis Aufenthalt in Aegypten für lebenslänglich zu erkennen (6), eine Rückführung
derselben nach Griechenland durch ihren verschwenderischen Liebhaber den Mytilenäer
Charaxos vorausgesetzt habe. Darf diese Annahme gelten, so lässt als nicht unebener
Gegenstand dieses Bildes sich der Gedanke erkennen, das zwiefache Leid, welches die
unglückliche Sappho bald über die Gleichgültigkeit des schönen Phaon, bald über die
maasslose Verschwendung und unedle Liebe ihres Bruders Charaxos empfand und in
ihren Dichtungen aussprach (7), durch unmittelbare Gruppirung mit beiden ihr Leben
vergiftenden Persönlichkeiten hier anschaulich zu machen.

Eingefasst ist das hiemit besprochene Bild mit einem wie es scheint aus Oliven-

(1) Die Verkrüppelung von Sleparis für Sappho ist
nicht viel ärger als die Umwandlung von Hephleta für
Hippolyte (341).

(2) Sappho und Phaon: Strabo X p. 452. Ovid. He-
roid. 15; Lucian dial. mort. 9, 2. vgl. O. Müller Griech.
Litt. I S. 314 ff. Welcher Kl. Sehr. II S. 106, 50.

3) Aelian Var. bist. XII, 18; Serv. Aen. III, 279;
Plin. Nat. hist. 22, 8; Athen. II p. 69 D.

(4) So lindert durch Saitenspiel der trauernde Achill
seine Einsamkeit: Horn. II. IX, 186ss. Vgl. Overbeck
Gal. I S. 408 f.

(5) Rhodopis: Herodot II, 134f.; AthenäusXIII, 596B.

(6) Herodot II, 135: PoiSmnig <5t lg Alyvnxov ant-
y.tjo advOtco jov Zautov y.ofiiocii'zog, ctmzo[Asvr\ 6i xar'
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Q<attri y.al y.axi^tivtv lv AlyvnKp.

(7) Herod. I. c.: Xc'iQaZog dt ojg Ivaäjxsvog Poömniv
ansvöazrjfjs ig MiTvlrjvrjv, Iv fis'le'i Zanifü noXlä
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