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Gerstenberg, Kurt
Ideen zu einer Kunstgeographie Europas — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 48/​49: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.61188#0023
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schichte nichts zu tun, auch nicht mit der Handels-
geschichte, wenn auch mitunter ein Phänomen der
Kunstgeschichte, durch die Tätigkeit der Hansa etwa,
erklärt werden kann. Es sind vielmehr die gleichen
geographischen Bedingungen vorhanden, unter denen
die gemeinsame Optik dieser Zone erwachsen ist. Es
ist die Kunst der Küste und des Flachlandes. Eigent-
lich plastischer Formensinn mangelt den Menschen der
norddeutschen Tiefebene, die Goethe einmal die gebil-
dete, aber bildlose Gegend nannte. Das heißt in der Bau-
kunst die Zone der glattwandigen Flächen mit geringen
plastischen Vorsprüngen, zugleich aber die Zone einer
stark koloristisch empfindenden Baukunst. Laufende
Reihung der Motive läßt einen Rhythmus der Strenge
und Monotonie erklingen. Nach Norden umspannt diese
Zone noch ganz Dänemark, und der Sund bildet die
kunstgeographische Grenze. Wenn die dänische Kunst
um 1600 in der Architektur eine neue Blüte erlebte im
Anschluß an die holländische Renaissance, so war eben
solche Beeinflussung nur möglich, weil von vornherein
eine Disposition in dieser Richtung vorhanden war, eben-
so wie diese die Stilgemeinschaft mit Norddeutschland
hervorbrachte. Der frische, lebendige Charakter des Back-
steinbaus in seinem farbigen Wechsel mit Gesimsen,
Portalen und Giebeldekoration aus Haustein entsprach
der tätigen Energie der beiden Seevölker. Der Quader-
bau des Schlosses Kronborg bei Helsingoer, 1574—85,
auch schon in Renaissanceformen errichtet, blieb doch
ohne Nachfolge. Erst unter Christian IV., 1588—1648,
läuft die Welle koloristischer Baukunst über das Land.
Nun entstand das Schloß Frederiksborg um 1609, das
bedeutendste Monument dieser Baukunst, dem das
Schloß Rosenborg in Kopenhagen in kleineren Abmes-
sungen ähnelt, und die langgestreckte Börse in Kopen-
hagen, 1619—32. Wenn nun hier Holland und Däne-
mark zu gleichen Stilerscheinungen kamen, so ist das

B. P. K. 48/49

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