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Gottsched, Johann Christoph [Hrsg.]; Gesellschaft der Freyen Künste <Leipzig> [Hrsg.]
Sammlung einiger ausgesuchten Stücke der Gesellschaft der Freyen Künste zu Leipzig — 1.1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.25957#0119
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an die Gesells. der freyen Künste.

ten Geistern achtet nur seine eigene Wissenschast hoch: al-
les andere, dünket ihn etwaS geringe6,unnüheö, undfolg-
lich etwaS unnöthiges zu seyn. Findet rnan nun Schristge-
lehrte, die stch aus der RechtSgelahrheit nichts machen:
Rechtsgelehrte,welche die Arzneykunst verachten; und Aerz-
te, die beyde obige Wistenschasten gering schatzen: da doch
der Nutzen aller dieser Wissenschasten in wohlgeordneten
Staacen sehr deutlich ins Auge fallet: Giebt eS Weltwei-
se, welche die Mathematik gering achten, und Mathema-
tiker, welche der Weltweisheit spotten : waS wird es deint
Wunder seyn, daß stch oft alle Brodtgelehrte vereinigen,
die freyen Künste verachtlich zu halten? blnd wen kann
es also bestemden, wenn man,diesem Urtheile zu Folge, stch
auch von ciner Gesellschast keinen hohen Begriff macket;
die sich bloß diese angenehmen und schönen Theile der Ge-
lehrsamkeit, zum Gegenstande ihrer Bemühungen erwäh-
let hat?

Die Sache ist sehr begreiflich, und so nakürlich:
daß auch die Alten schon durch Sprüchwörter diese Un-
art der Menschen zu verspotten und zu bestrasen gesuchet.
Erhabnere Geister aber, wahre Kenner einer allgemeinen
Gelehrsamkeit, haben stch allezeit vor so engen Begriffen
zu hüten gewußt. Sie haben die Nutzbarkeit aller Thei-
le und Arteu der Gelehrsamkeit, wie die Nothwendigkeit
aller Gliedmaßen eineS menschlichen Körpers ; und aller
bürgerlichen Handthierungen im gemeinen Wesen, einge-
sehen. Waö ware doch das sür ein Thier, das auö lau-
ter Augen, oder aus eitel Ohren besiünde? Und was
ware das für ein Staat, der aus lauter Künstlern und
Handwerkerir von einsr einzigen Art, zusainmen gessßet
ware? Gesetztnun,daßSchuhmacherundSchncider, Ba-
cker und Fleischer viel unentbahrlicber in einer Stabt stnd,
als Goldschmiede und Maler, Tonkünstler und Uhrma-
cher: soll man diese deswegen zum Thore hinaus weisen,
oder verachtlich halten? Und gesetzt, daß man die Religion
lehren, die Gerichtöstätte besetzen, und den Kranken helfen

muß:
 
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