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Gottsched, Johann Christoph [Hrsg.]; Gesellschaft der Freyen Künste <Leipzig> [Hrsg.]
Sammlung einiger ausgesuchten Stücke der Gesellschaft der Freyen Künste zu Leipzig — 1.1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.25957#0312
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XXII. Abhandl. vonderheydn. Fabellehre. 287

der wahr, oder falsch; gegründet, oder ungegründet. Fer-
ner kann eine Sage, die anfanglich aus einer guten
Quelle entstanden ist, entweder gut geblieben, und auf unS
gekommen, oder durch die iange der Zeit, und durch öfteres
Wiederholen verderbetworden seyn. Weil wir aber mit un»
serer Erkenntniß nicht allemal auf den ersten Urfprung der-
selben zurück gehen und nicht wissen können, ob eine Sa-
ge iho noch cben fo erzahlet werde, wie sie anfänglich er-
zählet worden; so gefchieht es öfters, daß wir von ihrer
Wahrheit oder Unrichtigkeit gar nicht urtheilen könncn.
Und hieraus lässet sich das Ansehen bestimmen, welcheS
man den Sagen beyzulegen hat. Sie betreffen mei-
stentheils entweder eine iehre, oder eine Geschichte. Je-
nes mögen daher dogmatische, und dieses historLsche Sa-
gen heißen. Weil man aber auf ihre Richtigkcit nicht
bauen darf; so geben ste keinen stchern und zuverlaßigen
Weg zur Erkenntniß der Wahrheit ab. Daher dienen sie
aufs höchste, entweder zur Erläuterung, oder zu mehrerer
Bestätigung einer solchen sehre oder Geschichte, deren Ge-
wißheit schon vorher aus andern stcheren Gründen, oder
durch die Zuverläßigkeit schriftlicher Zeugnisse, genugsam
bekannt und erwiesen ist.

III.

Allein da ich behaupten will, daß der erste Ursprung der
Fabellehre in der lehre der ältesten Menschen zu sucben
sey; so will dieses nichts anderS, als so viel sagen: Die ältesten
Fabeln, die man in den Büchern der Poeten stndet, sind
zuerst aus demjenigen entstanden, was die ältesten Men-
schen auf dem Erdboden gewußt, und mündlich, einer den
andern, gelehrt haben. Sie stnd, durch den Weg der
bloßen Sagen, und zwar auf mancherley Weise, in daS
HeydeNthum gekommen, und anfänglich, durch mündli-
ches Reden, von einem Jahrhunderte auf das andere fort-
gepflanzet worden. Durch die Längs der Zeit aber, durch
welche auch die richtigsten Wahrheiken, wenn man stc nicht

schriftlich
 
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