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Gottsched, Johann Christoph [Hrsg.]; Gesellschaft der Freyen Künste <Leipzig> [Hrsg.]
Sammlung einiger ausgesuchten Stücke der Gesellschaft der Freyen Künste zu Leipzig — 1.1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.25957#0313
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288

XXll. Abhandlung

schriftlich erhält, verderbet, undwie ein Kleid, das man
lange rrägt, unscheinbar gemacht werden, haben sie ihre er-
ste und rechte Geftalt verloren, und endiich das Ansehen
erdichreter Erzählungen, oder Fabein, bekommen. Nach
langer Zeit ftnd fte von den Poeten schrisciich aufgezeichnet,
und, durch die von ihnen unternommenen Veränderungen,
immer mehr verderbet worden. Jch eigne also keineswe-
ges dergleichen Ursprung einer jeden Fabel ohne Unterschied
zu; sondern ich rede von der heydnischen Fabellehre über«
haupt, und insbesondere von den ältesten Fabeln, die dar-
innen enthalken ftnd. Denn was man von einer Sache,
die auS verfthiedenen Theilen besteht, im Ganzen und über-
haupt saget, das gilt nicht von einem jeden besondern Theile
derselben. Man schreibc z. E. der franzöftschen Nacion eine
Leichtftnnigkeit zu: deswegen abcr sind nicht alle Franzo-
sen leichtftnnig. Doch wir müffen der Sache näher
kommen.

IV.

Das Heydenthum ist alt, und hat schon lange vor
Moses Zeiten seiney Anfang genommen. Da ich also be-
weisen will, daß die ersten und ältesten Fabeln der Heyden
auS den lehren der ältesten Menschen entstanden ftnd; so
muß ich auch diese Lehren noch vor Mose suchen. Vor
Mose lebten die Patriarchen, wir wir fte insgemein nennen.
Da nun dieses die ältesten Menschen auf dem Erdboden, und
da auch ihre Lehre die älteste gewesen: denn ihr Urheber
war Gott, und daher nahm fte mit der Welt selber ihren
Anfang: so werde ich uichts andersdarthun, als daß man den
Ursprung der ersten und ältesten Fabeln der Heyden aus de-
nen mündlichen Sagen herleitenmüffe, die fte von den Patriar-
chen gehabt haben. Kurz, und mit wenigem alles zu sa-
gen: ich halte die heydnische Fabellehre, ihrem erften Ur-
sprunge nach, für eine verderbet Lehre der Patriarchen.

V. Was
 
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