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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0199
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5i7

15- Kapitel.
Inneres der Kirchen.

a) Pfeiler- und Traveenbildung.
Die Thatsache, dass die Grundrissdisposition, die sich in den romanischen 7°9-
Schulen ausgebildet und mit der Gothik ihren Abschluss gefunden hatte, im Wesent-
lichen beibehalten wurde, ist von grossem Einssusse auf die innere Erscheinung der
Kirchen des Renaissancestils in Frankreich gewesen. Die erste Folge hievon war,
dass die Renaissance in diesem Lande sich nicht ganz frei ihrem Wesen gemäss ent-
falten konnte. Eine zweite Folge war, dass mit wenigen Ausnahmen die innere
Erscheinung der Kirchen durch die Form der Pseiler und der aus ihnen entwickelten
Traveen bedingt wird. Eine weitere Folge war, dass die Bildung der Pfeiler einer
der wichtigsten Punkte wurde, auf den sich die Phantasie der Architekten concentrirte.
Es schien uns daher nützlich, am Eingang des Abschnittes über das Innere
der Kirchen einige Beispiele zu geben, welche die Formen und Gedanken zeigen,
die hier den Mei (lern vorschwebten. Zur Erläuterung der Frage haben wir Fig. 176
bis 179 nebeneinander gestellt. Man erkennt sofort, dass die Beibehaltung des mittel-
alterlichen Bündelpfeilers als Regel gilt.

1) Pfeilerbildung der Früh-Renaissance.
Es giebt eine Reihe von Kirchen, in welchen die Stützen als Rundpfeiler, die i™-
oft nicht sehr glücklich als Säulen gegliedert sind, ausgebildet wurden. Die Wirkungsechse^k;g”’und
ist meistens eine ziemlich ärmliche, kalte und nüchterne. achteckige
In der Kirche von Jouy-le-Moutier setzen die Gewölbe- und Arcaden-Gurte un-
mittelbar auf dem Kapitell von Rundsäulen auf. Das Kapitell besteht bloss aus
einem riesigen Eierstabe zwischen zwei kleinen Stäbchen, und bietet keinen har-
monischen Anblick.
Das Innere der Kirche von Ribemont (ca. 1540?) in der Picardie hat dorische Säulen, über deren
Kapitelle die Bogen und zwischen diesen der Dienst für die Gewölbe aufsetzen. Dieser Gedanke
wurde noch in St.-Nicolas-des-Cham/ps zu Paris, wohl 1576 —1581, festgehalten. Von der siebenten Travee
an sind die Pfeiler durch cannelirte dorische Säulen von elliptischer Grundrissform gebildet, auf deren
Kapitellen seitwärts Rundbogen-Archivolte mit rechtwinkeliger Umrahmung und Gesims, vorne jonische
cannelirte Pilaster aufsteigen. Letztere nehmen über ihrem gesimsartigen Architrav die Rippen des Mittel-
schiffs auf, und die Fenster zwischen diesen gehen bis zum Gesims über den Arcaden herunter. An den
glatten Schäften der Dreiviertel-Säulen, an welche sich die Trennungsmauern zwischen den Capellen an-
schliessen, steigen drei sehr ssache lisenenartige Streifen empor, um die Rippen der Kreuzgewölbe auf-
zunehmen.
In folgenden Beispielen werden ausserdem zu verschiedenen Zwecken Aus-
kragungen an den Schäften gemacht.
In St.-Etieniie-du-Montv^v') zu Paris gehen glatte Rundsäulen nüchtern durch bis zu den Gewölben des
Mittelschiffs empor, wo sie mit hässlichen dorisirenden Kapitellbildungen endigen. In halber Höhe werden
sie durch Rundbögen verbunden, die, ohne Kämpfer, in die Säulen einschneiden und einen schmalen Gang
zwischen zwei Balustraden tragen , der mittels einer Auskragung nach den Seitenschiffen um die Säulen
herumgeführt wird. Nach dem Mittelschiff zu gehen die oberen Glieder des Gesimses dieses Balcons vorn
an den Säulen gerade durch; die unteren werden an ihnen herumgeführt.
1090) Der Bau wurde 1517 mit der Apsis begonnen; die betreffenden Pfeiler dürften aber zwischen 1540—1560 er-
richtet worden sein.
 
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