Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0200
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5i8

7u.
Bündelpfeiler.

St.-Pantaleon zu Troyes hat sehr schlanke, hohe, doch kräftige korinthische Säulen, in deren halber
Höhe auf tellerförmigen Auskragungen ein schmaler Gang herumführt. Ueber dem Gebälk setzt ein
Holzgewölbe tonnenförmig mit Rippen an, dessen Höhe im Vergleich zu den hohen Säulen ungenügend
erscheint.
Man findet aber auch zuweilen ganz verschiedene und zwar glückliche Aus-
bildungen der Rundpfeiler.
In St.-Jean zu Elbeuf giebt es Halbsäulen oder halbe Rundpfeiler von etwa 1 m Durchmesser, die
statt Kapitellen ein Rundgebälk haben , dessen Gesims von Consolen am Fries getragen wird. Oberhalb
desselben entspringen die Rippen. Die Wirkung ist dank der guten Profilirung eine sehr glückliche
(siehe Fig. 89). An den Pfeilern des Schiffs legen sich vier solche Halbsäulen um einen quadratischen
Pfeiler, dessen Kanten so zu sagen allein sichtbar bleiben.
In der Kirche zu L’Isle-Adam werden die Arcaden von Rundpfeilern getragen, an welchen statt
Kapitellen ein dorisches Triglyphen-Gebälk ohne Architrav herumgeführt ist. Die Wirkung ist keine
schlechte. An einzelnen Stellen wird der Theil des Pfeilers, der an der Obermauer vorspringt, als Dienst
emporgeführt, um die Gewölbe des Mittelschiffs aufzunehmen.
Die Seitenschiffspfeiler in St.-Baßle zu Etampes haben ebenfalls nur ein Gesims.
In einer Anzahl von Kirchen begegnet man statt der Rundpfeiler solchen von
polygoner Form, sechseckig, meist aber achteckig, mit verschiedenartiger Deco-
ration. In der Kirche zu Gisors haben, vom Thurm aus gerechnet, die Pfeiler 1,
3 und 4 zwischen den beiden rechten Seitenschiffen einen ganz besonderen Charakter.
Der erste ist sechseckig und seine Flächen sind wie Pilasterfüllungen in Relief mit Arabeskenwerk,
Wappen, Monogrammen u. s. w. verziert. Der zweite .ist achteckig, hat einen doppelten Ring in halber
Höhe, und stellenweise treten regelmässig aus den Flächen spiralförmige Kanten hervor, wie beim Gewinde
einer Schraube, deren Durchmesser gleich der Diagonale des Acktecks ist. Im oberen Viertel werden die
Kanten abwechselnd durch einen profilirten Stab und durch Baldachine verziert, die durch Dreipässe mit
dem kleinen Kämpferprofil verbunden werden. Der dritte Pfeiler ist rund, und acht dünne Stäbe ziehen
spiralförmig an ihm hinauf. In halber Höhe bildet eine Krone einen Ring um den Schaft und Masswerk
verbindet unter ihr die Stäbe. In der oberen Hälfte und unter dem Kämpferring bilden delphinenartige
Motive zwischen den Stäben drei Ringe um den Schaft. Diese Pfeilerbildungen scheinen seiten zu sein
und erinnern an gewisse Pfeilermotive im Schlösse zu Gaillon.
In der Note 237, gelegentlich des Art. 105, S. 100, sagten wir, in Frankreich
sei uns kein Beispiel bekannt, welches eine Pfeilerbildung im Sinne der Schule von
Gaillon zeige, wie sie in Portugal in der Kirche zu Belem zu finden sei. Inzwischen
haben wir in unteren Notizen dennoch ein solches gefunden: Die ruinirte Abtei von
Aubrac1091) zeigt ebenfalls einige Pfeiler mit Arabesken an den zurückliegenden
Flächen, in der Art jener aus Gaillon jetzt in der Ecole des Beaux-Arts zu Paris.
Wir gehen nun zu den Umwandlungen des gothischen Bündelpfeilers über.
Man könnte diesen auch einen »Bündnisspfeiler« nennen, weil er in der That, meistens
schon von unten auf, so viele Einzelglieder zu einem Ganzen verbindet, als nöthig
sind, um jede der verschiedenen Functionen, die der Pfeiler während seines Auf-
steigens in Verbindung mit den Rippen bis zum Gewölbescheitel zu vollbringen hat,
vorzubereiten und zu individualisiren.
Die Thätigkeit der Renaissance-Architekten besteht nun darin, dieses Princip
mittels der antiken Säulenordnungen in neue Formen einfach zu übersetzen. Bei
der Gesammtbildung wird der gothische Gedanke des Emporwachsens beibehalten,
aber für die Entwickelung der Formen wird statt des organischen Princips des
»Wachsens« und des Auseinander-sich-Entwickelns das antike Princip des Aufeinander-
setzens des »mechanischen Aufbaues« durch tragende und getragene Structurglieder
wieder angenommen.
Abgebildet bei: Nodier & Taylor, ä. a. O., Languedoc, Bd. II, Fol. 84.
 
Annotationen