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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0338
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656

in den vier Mitten und Ecken. Die Invalidenkirche, deren Eingang in der hinteren Mitte dieses Hofes ist,
wurde bereits beschrieben, ebenso der Invalidendom, dessen Fagade an der Rückseite der Anlage liegt 1399).
Es genügt daher, für das System der Gesammtanlage, die allein hier für uns von Interesse ist, auf unsere
Figur hinzuweisen.

25. Kapitel.
Gesammtüberblick. Würdigung der Fähigkeiten, Absichten und
Leistungen der kirchlichen Baukunst.
Für einen Gesammtüberblick und ein abschliessendes Urtheil auf einem Gebiet,
das aus einer solchen Anzahl kleiner, zerslückelter Elemente besleht, ist es noth-
wendig, die kirchlichen Bauwerke noch einmal in Gruppen zusammengefasst zu ordnen
und zu prüfen, wobei scheinbar begründete aber zum Theil doch ungerechte Ein-
würfe gegen sie zu widerlegen sein werden.
a) Hindernisse für die Entwickelung der Kirchenbaukunst der Renaissance
in Frankreich.

Zunächst miislen verschiedene historische Erscheinungen hervorgehoben werden,
die eine Reihe von Hindernissen bildeten, auf die Formen der Entwickelung be-
7 o
stimmend einwirkten, und die Italien nicht kannte. Die einen waren architektonischer,
die anderen nationaler oder persönlicher Natur.
9I3' Ein erstes Hinderniss lag in den geradezu wunderbaren Errungenschaften des
Gothische
Errungenschafteniiationalen Stils der Gothik und in dem sozusagen bleibenden Werthe eines Theils
ein seiner Elemente.
Hinderniss.
Sie bildeten einerseits eine vollständige Befriedigung des nationalen Geschmacks und andererseits
eine künstlerische und structive Leistung ersten Ranges. In ihrem Kathedralenstil ist das System der
leichtesten, schlanksten Stützenformen, der geringsten Zahl scheinbar unthätiger Mauermassen, des geringsten
Quantums Baumaterial, ferner der bis ins kleinste Glied durchgeftihrten Individualisirung jeder structiven
Function, alles dies mit einer noch nie geahnten Meisterschaft verwirklicht worden, und verdiente in ge-
wissen Fällen um jeden Preis festgehalten zu werden.
Von der anderen Seite, man mag sagen , was man will, war eine weitere Entwickelung in der-
selben Richtung und allein mit denselben Elementen geradezu undenkbar. Es ist unmöglich, dies in über-
zeugenderer Weise zu schildern, als es Choify gethan :
»Die Grenzen des Leichten,« schreibt er, »waren erreicht, die Folgerungen sind abgeschlossen, man
muss stille halten oder ein neues Princip einwirken lassen. Das Complexe ist auf die Spitze getrieben
worden, und zurückkehren zu ,einfachen Formen1 ist das einzige Mittel, die Kunst zu verjüngen. Es ist
diese Reaction im Sinne einsacher Formen, welche von der Renaissance begonnen wird« 140°).
Der Wir haben bewiesen, wie ungerecht es sei, der Renaissance ihren ausländischen
ausiändische ursprung- vorzuwerfen, da das Land nichts an Stelle der Gothik zu setzen vermocht
Charakter 17 ö
der hätte1401)- Dies verhindert nicht, dass eine wirkliche Schwierigkeit, die jedoch
Renaissance, njcpt übertrieben werden darf, in dem ausländischen Charakter der Renaissance lag.

1393) Siehe: S. 573 — 578.
1400) Choisy, A. Histoire de 1’Architecture. Paris 1899. Bd. II, S. 600.
1101) Siehe: Art. 9, S. 13 u. Art. 26, S. 30.
 
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