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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0333
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651

fagade erhalten, sowie der ehemalige Portalbau des Klosters, jetzt als Mairie be-
nutzt 1389). Die Mittel mussten sozusagen unbeschränkt vorhanden sein. Der Bau
scheint wie aus einem Guss, und die Ornamente sind bis zu den Laternen der drei
Thurmspitzen der Fagade in gleicher Fülle ausgehauen.
Sie wurde unter dem Abt Nicolas die Bois erbaut und wird nach dem an der Mairie und dem
Kirchthurm neben der Uhr vorhandenen Datum 1633 um diese Zeit fertig geworden sein.
Die Gesammtanlage der unter der spanischen Herrschaft errichteten Abtei war ganz die eines
grossartigen Schlosses und zeigt darin Aehnlichkeit mit dem Escurial. Breite, von Balustraden ein-
gefasste Canäle mit Wasser umgeben den Bau und einzelne Theile der äusseren Gärten. Die Anlage
bildete ein ungeheures Quadrat mit vortretenden Eckpavillons , etwa wie an den Tuilerien. Dasjenige
rechts vom Eintretenden wurde durch die hohe Fagade der mächtigen Kirche gebildet. (Siehe Art. 687, S. 497.)
Die monumentale Thoranlage (1632—33) zwischen zwei achteckigen niedrigen Thtirmen bildet allein die
jetzige Mairie. Sie lag, ganz von Wasser umgeben, zwischen zwei Brücken vor der Mitte der vorderen
Seite. Hinter dieser erstreckte sich in halber Tiefe und in der ganzen Breite bis zur Kirche rechts der
grosse Hof mit Brunnen und zwei Gartenparterres. In der Mitte der hinteren Seite, etwa ein Drittel
der ganzen Breite einnehmend, erhob sich, rechts an das Querschiff der Kirche anstossend, die Vorder-
front des Hauptgebäudes, welches die vier Seiten des inneren 'Hofes umgab. Es hatte, wie die Eck-
pavillons, zwei Obergeschosse, die Flügel sonst nur eins. Innere Gärten umgaben die drei Seiten des Haupt-
gebäudes.
Auch die königliche Abtei des Val-de-Gräce zu Paris, dessen Gesammtgrundriss
in Fig. 215 139°) gegeben ist, hat manches mit einer Schlossanlage gemein.
Das Hauptgebäude mit vortretenden Eckpavillons umfasst den etwa quadratischen
Garten. Zwei Basfes-cours trennen dasselbe von der Strasse, zu deren beiden Seiten
ein einheitlicher Häusertypus zur Anwendung gelangen süllte. Die grosse Kirche,
die bereits besprochen wurde (slehe Art. 756, S. 568), hatte ihren besonderen
Vorhof.
Zum Schlusse sei auf folgende Beispiele hingewiesen: Interessant dürfte , nach dem Stiche des Lu-
dovicus Barbaran von 1673 zu urtheilen, der Saal der Abtei St.-Jean-des-Vignes zu Soissons gewesen
sein1391). Ferner dürften, nach einer Abbildung des Pariser Kupferstichcabinets zu urtheilen, die Ruinen
der Abtei Faremoutier bei Coulommiers einiges Interesse bieten (Epoche Ludwig XIII. ?). Den Charakter
eines kleinen Kreuzganges hat ebenfalls das sog. Beinhaus (les Charniers), 1605—66 mit drei Flügeln
an die Apsis von St.-Etienne-du-Mont zu Paris angebaut, mit dorischen Pilastern und Tonnengewölbe 1392).
Es umgab den kleinen an dieser Stelle gelegenen Kirchhof.
Aus dem XVIII. Jahrhundert verweilen wir auf die Gebäude, die der Bruder G. de la Tremblay
bei St.-Etienne zu Caen errichtete, das jetzige Hbtel-Dieu und Lyceum. Sie zeigen einen grossen, klaren
vornehmen Stil (1702—24).

24. Kapitel.
Spitäler.
Im Anschluss an die Klostergcbäude geben wir einige Beispiele aus dem Ge-
biete des Spitalbaues, nicht um diese Classe von Gebäuden sachgemäss zu behandeln,
sondern um einige Anordnungen zu zeigen, die zur besseren Kenntniss der allge-
meinen Stilentwickelung beitragen können.
1389) Ein Gemälde von J. F. Neiis im Museum zu Valenciennes und eine Zeichnung von 1696 auf der Mairie zeigen
die ursprüngliche Gesammtanlage.
1390) Facs.-Repr. nach: Marot, Jean. Oeuvre^a.. a. O., Bd. II, S. 124.
1391) Abgebildet bei: Nodier u. Taylor. Picardie, a. a. O-, Bd. II, Theil 1.
1392) Güilhermv, F. de. Itineraire de Paris, 1855, S. 188—19t.
 
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