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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0121
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439

13- Kapitel.
Backstein - Architektur.
Frankreich hatte keine Veranlassung, weder im Mittelalter noch zur Zeit der
Renaissance, einen eigentlichen Backsteinstil, wie man ihn im Norden von Italien
und Deutschland findet, auszubilden. Es war zu reichlich mit vortrefflichen Stein-
sorten versehen. Immerhin findet man aber einerseits eine Reihe von Denkmälern, in
welchen der Backstein eine bestimmte Rolle spielt, und andererseits so etwas wie
einen wirklichen Backsteinstil, der jedoch vielleicht mehr der Ausdruck einer mora-
lischen Gesinnung als einer künstlerischen Auffassung des Problems sein dürfte.
a) Backstein-Architektur in der Früh-Renaissance.
Choify schreibt, dass in Frankreich der Backsteinbau fast überall während des
Mittelalters aufgegeben worden sei 945). Bei der ersten Berührung mit Italien, sagt er
ferner, kommt der Backstein wieder in Gebrauch, und als Beweise führt Choify die
Theile des Schlosses zu Blois aus der Zeit Ludwig XII. an, die, wie die meisten
Paläste Italiens, aus Backsteinen mit Quaderverzierungen gebaut sind. Diese Ver-
bindung hält er für das wichtigste italienische Element in der französischen Con-
struction946 947). In St.-Germain und La Muette, sagt er ferner, waren die Mauern
aus Bruchsteinen (moellons) mit decorativen Linien aus Backsteinen errichtet.
Wir geliehen, dass wir nicht von selbst auf den Gedanken gekommen wären, in der Anwesenheit
des Backsleins zur Zeit Ludwig XII. einen italienischen Einssuss zu erblicken. Wir wußten, dass er im
gothischen Stil keinerlei Rolle gespielt hatte, glaubten aber, der Backstein hätte für ökonomische Zwecke
in Gegenden, wo die Steine seltener waren, ununterbrochen eine gewisse Verwendung gefunden. Als nun
die Renaissance eine weitere Auffassung der Kunst mit sich brachte, glaubten wir, dass der Backstein
ohne fremden Einfluss stellenweise wieder seine Anwendung gefunden habe. Es mag jedoch sein, dass die
eben angeführte Ansicht unteres verehrten Freundes Choify die richtigere ist.
Eine Betätigung des italienischen Einssußes dürfte in der Thatsache liegen,
dass die zwei einzigen Nachrichten, die wir über das Vorkommen wirklicher Terra-
cotten besitzen, beide auf italienische Fabriken in Frankreich zurückgeführt werden.
A. de Montaiglon'i:f erwähnt Etermen aus Terracotta und von vorzüglichster italienischer Arbeit
am linken Flügel des Schlosses von Oiron, an Nischen mit umgekehrten Consolen, mit denjenigen Bocca-
doro’z am Hbtel-de-Ville zu Paris an Eleganz verwandt, aber noch bewegter.
In der Sitzung der Societe nationale des Antiquaires de France vom 14. März 1900 legte Herr Vitry
Photographien von Pilasterfragmenten aus Terracotta mit italienischer Decoration vor, die kürzlich in der
Nähe des Schlosses zu Amboise gefunden worden sind. Er vermuthet, sie slammen aus einem italienischen
Atelier, welches Ende des XV. oder Anfang des XVI. Jahrhunderts in Amboise bestand.
Von 1494—1502 findet man in Amboise den Italiener Jerome Solobrin als Gründer einer Werk-
slätte sür emaillirte gebrannte Erde948).
Zu erwähnen ist ferner, dass, um die Majolicaplatten und -Werke in Frankreich verwenden zu
können, Jerome della Robbia aus Florenz berufen wurde.
In seinen Bauvorschriften für das Jesuitencollegium zu Moulins (1605) verlangt
der Architekt Marteilauge 949), dass die Backsteine für öffentliche Gebäude grösser
945) lm Süden von Frankreich war dies weniger der Fall. Die Kathedralen von Albi und Toulouse sind Backsteinbauten.
946) Ce qu'il y a de plus italien peut-etre dans la conßruction frangaise de la Renaiffance, c'eß l’ affociation de la
brique a la pterre. Siehe: Choisy, A. Hißoire de l'Architecture. Paris 1899. Bd. II, S. 703.
947) Siehe: La Familie des suße, a. a. O., S. 45.
94S) Siehe: Grandmaison, Ch. L. in Memoires de la Societe archeologique de Totiraine, Bd, XX, S. XIX. Tours
1870, gestützt auf: Jacquemart. Les merveilles de la Ceramique.
949) Charvet, L. Etienne Martellange. Lyon 1874. S. 59.

608.
Ansicht
Choisy''s.

609.
Italienische
Terracotten.
 
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