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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0327
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645

Brescia, Venedig, dass man stellenweise an italienische Meissel denkt, ohne es mit
Sicherheit behaupten zu können; in den Arcadenpfeilern der Ostwand an gewisse
Pfeiler im Hof des Dogenpalastes zu Venedig, während die Triumphbogenformen,
die sich an das sog. Palladio-Motiv anlehnen, auf die Grabmäler Andrea Vendramin
in Venedig und Ascanio Sforza in S. Maria del Popolo zu Rom, wenn auch frei,
dennoch bestimmt hinzu weisen scheinen. Man kann sie bereits zur Hoch-Renaissance
rechnen. In den Fialen dagegen sind es die reizenden Franco-Mailändischen Formen,
die uns entgegentreten.
Wir slehen hier vielleicht vor einem einzig dastehenden Beispiele der Renais-
sance in Frankreich, vor einer parallelen Entwickelung mit jener des Style Marguerite
de Valois, dessen lebendige Frische es trotz aller Feinheit und stellenweisen Vor-
züglichkeit des Ornaments nicht erreicht 13 73). Der unaufhörliche Wunsch, gewisse
italienische Vorbilder und deren Eigenschaften wiederzugeben, hat die Freiheit, die
zur Belebung der Formen unentbehrlich ist, gehemmt.
An der Westwand umfasst die Wandgliederung nur die untere Hälfte, da die obere Hälfte durch
die Fenster eingenommen wird. Sie besleht aus einer jonischen und korinthischen Säulenordnung in drei
Traveen. Die oben sind durch Nischen vertieft, vor welchen Christus unter den Schriftgelehrten dargestellt
ist. In einem derselben will man die Züge Luthers erkennen. Der Stil dieser Gruppe lehnt sich an die
ssämisch-deutsche Stilrichtung an , obgleich sie vielleicht auch von einem Franzoien aus der Gegend von
Troyes sein könnte 13 74). Die anderen Gruppen, ebenfalls das Werk von Franzosen, sind schon mehr als
halb italienisch in den Formen.
Die Ansicht Palußre'?., dass die Sculpturen der Grablegung der Maria ein Werk von Jean Des-
marais und die Architektur von Jean de Lefpine herrühre, vermag ich nicht zu controlliren.
Es giebt noch andere Beispiele solcher Idealgräber, jedoch meistens ohne Begleitung von
bemerkenswerther Architektur. Eine Grablegung sieht man in St.-Mihiel eine andere in der Kirche
Ste.-Clotilde im Grand Andely u. s. w. Eines der interessanteslen wegen seiner Architektur ist das in
St.-Maclou zu Pontoise, von dem von uns als Meister D bezeichnet herrührend. (Siehe Art. 718 u. 719,
S- 53° u- 533-)

22. Kapitel.
Blick auf die Innendecoration der Kirchen.
Die ungünstigen Schicksale, welche die Errichtung so weniger Kirchen der
Renaissance in vollständiger Form erlaubten, wirkten noch viel nachtheiliger auf die
Innendecoration. Wenn man schon in Italien, der Heimath der Renaissancekunst,
das ganze Land durchreisen muss, um die Elemente zu sammeln, die nöthig sind,
sich die Decoration einer einzigen Kirche oder eines grösseren Palastes der Hoch-
blüthe vorstellen zu können, so sind die Umstände in Frankreich, namentlich für die
Decoration der Kirchenbaukunst, noch viel ungünstiger. Wir mussen daher darauf
verzichten, hier dieselbe in zusammenhängender systematischer Weise zu behandeln
und können nur einige kurze Andeutungen geben.
Vom Gesammtcharakter der Decoration darf wohl gesagt werden, dass er sich ^9-
den verschiedenen Phasen der italienischen Decoration anschloss. Diese finden jedoch italienische
- Ein ssu ss.
1373) Besonders schon ist das Ranken- und Arabeskenwerk an den Schästen der Säulen der beiden unteren Grotten.
Einzelne Compositakapitelle. an der Nordwand gehören zu den allerbesten in Frankreich. Die cannelirten Schäfte und die
Kapitelle der oberen Säulen der Ostwand erinnern im Charakter etwas an jene Boccador' s am Hotel-de- Mille zu Paris.
1374) Man glaubt, die Belle Cha.f> eile sei aus Kosten von Claude von Lothringen, der Herr vom nahen Sabie war,
entstanden, oder er habe zum Minderten mit bedeutenden Mitteln bei deren Herstellung geholfen.
 
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