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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0097
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4iJ

Perrault's sleht (liehe Fig. 223). Ich vermag nicht zu lagen, ob Perrault dies von
Bernini entnahm oder ob die Studien, die er früher gemacht hatte, bereits diese
Anordnung zeigten. Letztere wurde im XVIII. Jahrhundert für die Paläsle an der
Place de la Concorde beibehalten.
Im gemeinsamen Typus für die Häuser der runden Place des Victoires zu Paris
erhebt sich eine jonische Pilasterordnung, durch zwei Geschosse gehend, über dem
Erdgeschoss, welches Arcaden ohne Archivolten zeigt und glatte Bossenschichten
ohne Stossfugen hat. Ueber dem Gebälk sind grosse Dachfenster, abwechselnd mit
Rund- und mit Stichbogen angeschlossen.
Die Place des Victoires wurde nach der Zeichnung J. Harduin Mansard's von Predot laut Vertrag
vom 12. September 1685 errichtet. Als am 18. März 1686 die Statue Ludwig XIV. eingeweiht wurde,
waren die Gebäude noch nicht fertig904).
Die Place Vendöme zu Paris (früher Louis-le-Grand\ die Hardouin Manfard
1685 begann, zeigt dieselben Elemente und bildet eine der vornehmsten und cor-
rectesten Anwendungen der grossen, hier korinthischen Ordnung (siehe Fig. 310).
Trotz einer richtig gedachten Unterbrechung der Pilasterreihen durch Partien mit
Halbsäulen und Giebeln ist es jedoch dem Architekten nicht geglückt, einen gewissen
Eindruck der Kälte und Langenweile zu vermeiden.
Da die Wirkung auf der Reihe gleicher Traveen beruht, hätten die Dachfenster entweder nur einen
Typus haben sollen oder aber durch die Alternirung zweier Formen von grösserer Verschiedenheit als die
ausgeführten sich unterscheiden mussen. So stören sie die Ruhe, bringen auch kein Leben und sind zu
gross, um unbemerkt zu bleiben. Es ist eines der häufigen Beispiele, in welchen der Efprit bourgeois et
econome des Franzosen die echt monumentale Wirkung seiner Bauten da slört, wo vor Allem der Geist
des Monarchen, der nationalen Macht oder des Grand Seigneur hervortreten süllte.
Das Hotel-de-Ville zu Nancy, an der Place Stanislas, von Here de Corny (1752—1757), folgt
demselben Gedanken, dürfte aber in den Verhältnissen glücklicher und vornehmer wirken, wenn auch im
Detail stellenweife etwas derber sein. Es bildet eine glückliche Zwischenstufe zwischen der Place Vendöme
und den Palästen Gabriels an der Place de la Concorde zu Paris.
An einem schlossartigen Gebäude der Abtei Premontre, um 1720, reicht eine einzige jonische
Pilasterordnung durch drei hohe Stockwerke durch. Da ihr Vorsprung gering ist , und die Breite der
Mauer zwischen den Fensteröfsnungen und den Pilastern beinahe der Breite der letzteren gleichkommt, ist
die Wirkung nicht so ungünstig und erdrückend, als zu erwarten wäre. Der glatte Architrav und das
Gesims sind höchstens so hoch als die Pilaster breit.

12. Kapitel.
Rustica.

a) Stellung der Franzosen zur Rustica.
Bei denen, die nur in Paris leben und das moderne Frankreich kennen, entsteht
sehr leicht die Ansicht, es habe die Rustica in Frankreich so gut wie keine Rolle
gespielt. Während der Herrschaft der Gothik war dies thatsächlich der Fall, beinahe
ebenso während der der Früh-Renaissance. Lernt man aber allmählich die verschollenen
Denkmale der französischen Renaissance kennen, so wird man finden, dass die Rustica
eine sehr bedeutende und interessante Rolle gespielt hat. Gerade die Behandlung

568.
Beispiele
an
Plätzen.

569-
Irrthümliche
Ansicht.

90^) Siehe: Lance, A. Dictionnaire etc., a. a. O., Bd. IT, S. 226.
 
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