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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0342
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66o

924- Nr. 5. Vielleicht darf man den ersten Typus dieser Richtung an die von Du Cerceau für St.-Eu-
ßache zu Paris entworfene Fagade knüpfen (siehe Fig. 156, S. 465). Man denke sich aber einen ganzen
Bau durchgeführt in dem auf Kirchen übertragenen Stil der zwei Lucarnes, welche der Folge der Möbel
Du Cerceau’? beigefügt sind Die edelste elegante Strenge der antikisirenden Architekturformen ist
hier mit der frischesten, feinen, eleganten Phantasie der Detailformen verbunden.
Das freistehencle Seitenportal an St.-Sernin zu Toulouse dürfte ein etwas srüheres Beispiel dieser
Richtung sein , ebenso die sehr interessante Gesammtgliederung der Fagade von Notre-Dame zu Tonnerre.
Nr. 6. An den Typus, den Du Cerceau in seiner »Grande Chartreufe de Pavle« verfolgt, muss
hier erinnert werden. Trotz seines reiferen Aussehens dürfte er etwa gleichzeitig mit seiner Fagade für
St.-Eußache sein.
Nr. 7. Der wundervolle ehemalige Klosterhof der Celeßins zu Paris (Fig. 214), die Capelle aus
der gleichen Zeit in St.-Jacques zu Reims sind Typen, in welchen die Harmonie der Stützen und Gewölbe
des Klosterhofs
der von solcher Vollkommenheit ist, dass man sagen kann, es hätten sich hier die Gothik und Bramante die
Celeßins. Hand gereicht. Eine Reihe von Kirchen, in dieser Phase ausgeführt, hätte weder in der französischen
Gothik noch in der italienischen Renaissance ihres Gleichen gehabt.
Eine Kirche wie St.--Eußache in Paris, in dieser Phase entworfen und gegliedert, hätte die Welt
um ein Meisterwerk ersten Ranges bereichert.
Die Abteikirche von Valmont bei Fecamp und die Chapelle de St.-Romain zu Rouen sind von
diesem Typus nicht weit entfernt.
926- Nr. 8. Zu den frühesten Beispielen des Typus, in welchem die Hauptformen durch die der Hoch-
typus Renaissance bestimmt werden, gehört die Gruppe von Troyes. Der zweigeschossige Thorbau des Domenico
Ae.- Domenico P^orent^no an St.-Andre-lez-Troyes ' (1549), der untergegangene Lettner in St.-Etienne zu Troyes, das
Fiorentino. Meisterwerk Domenico’s, dürften auf jene ganze Gegend einen Einssuss ausgeübt haben, der bei näherem
Studium vielleicht nachgewiesen werden konnte. Domenico Fiorentino war mit den clasfischen Compo-
sitionen 1405 1406) Bramante’s und Raffael'?, wohl vertraut und es darf daher nicht befremden, stellenweise sehr
edle classische Gliederungen zu sehen 1407 1408), die mit dem Detailzauber der franco-italienischen Schule ver-
bunden sind. Es ist die Richtung, die wir in der Lucarne Du Cerceau’?, (siehe Art. 924, S. 660) sahen,
die im Detail einige Verwandtschaft mit Theilen der Fagade von Notre-Dame in Tonnerre zeigt. An
letzterer findet man Analogien mit der Gruppe der Portale, die sich an jenes von St.-Pierre zu Loudun
anschliessen, (siehe Art. 802, S. 588).
Der Reiz von Werken dieser Richtung ist ein ganz eigenthümlicher und bezeugt auch hier, dass
das lebendige richtige Streben nach edler Vollkommenheit aller Theile nie umsonst gewesen ist.
Vielleicht ist das Portal der Kirche La Dalbade zu Toulouse zu dieser Stilphase zu rechnen..
927. Nr. 9. Kirchen oder Capellen, wie sie Du Cerceau wiedergegeben hat1405), sei es im Stile
Typus einiger ^er Gebäude, in seinem »Livre des Temples« (1550), sei es in noch classischeren Formen, bilden einen
Temples r \ j
Ccrcsau'. Typus, der desshalb in Frankreich so gut wie nicht vorkommt, weil die Blütheepoche dieser Stilrichtung
gerade in die Zeit der Religionskriege fiel. In mehr als einem Relief oder Gemälde wird man dagegen
Thurmbildungen und Capellen sehen, die in dieser Weise in verschiedenen kuppelförmigen Bekrönungen
ausgebildet sind.
Eine Kuppelkirche im Stile eines Baldachins in St.-Pantaleon zu Troyes, welche gleichsam die obere
Hälfte des Modells zu einer solchen bildet, ist ganz im Stile einiger der Tempel Du Cerceau’? gedacht.
Der Typus des Mittelportals der Kirche zu Villeneuve-St.-Georges ist von dieser Stilrichtung wenig oder
gar nicht entfernt. Bei hinreichender Kenntniss der italienischen und französischen Renaissance liesse sich
hier manche schöne Raumgruppirung in anregendem Formengewande herstellen.

1405) Abgebildet: ebendas. S. 161.
1406) Siehe die Zeichnung Domenico Fiorentino's mit dem Palast Bramante's und Raffael'? im Hintergründe, den wir
veröffentlicht haben in: Geymüller, E. dl Raffaello Sanzio ftudiato come architetto. Milano 1884. Fig. 54.
1407) Koechlin, R. und J. J. Marquet de Vasselot, La Sculpture a Troyes, etc. a. a. O. haben inzwischen in
Fig. 85 eine alte Abbildung des Lettners veröffentlicht, die dieses bekräftigt. Sie haben die Richtigkeit obiger Annahme auf
dem Gebiete der Sculptur nachgewiesen und mir zugleich ein Element geboten, um den von mir vermutheten Einssuss Domenico'?,
auf die Architektur zu bestätigen. Der Einssuss des Domenico Fiorentino (del Barbiere) dürfte direct oder indirect auch an
folgenden Werken in Troyes zu erkennen sein: am Hof des Hotels des Urfins; an den Schranken der Capelle des Fonts
Baptismaux in der Kathedrale; vielleicht am Kamin im Hotel de Vaului/ant.
1408) Siehe, was wir über diese Compositionen in unterem Bande ^Les Du Cerceau«, a. a. O., gesagt haben.

925-
Typus

1 ypen
Du Cerceau'?.
 
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