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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0343
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661

3) Typen der Hoch-Renaissance.

Nr. io. Der früheste Typus dieser Stilphase dürfte durch mehrere Werke Jean Goujoris vertreten 928.
sein, in welchen so gut wie keine Elemente des Gothischen und der Früh-Renaissance mehr zu treffen sind. Typus
der Werke
Die Formen gehören zum Alleredelsten und Lebendigsten und entsprechen etwa der vaticanischen Phase yean G -on^
von 1508—15, als Bramante und Raffael zusammenarbeiteten.
Das früheste Beispiel dürften die beiden vorderen Holzthüren Jean Goujon’?, an der Fagade von
St.-Maclou zu Rouen sein und, wenn auch verschieden, der Altar der Kirche zu Bouilly bei Troyes, dann
das erste Geschoss über der Mittelpartie von Fotre-Dame zu Tonnerre.
Der Typus des Altars Jean Goujon? aus Ecouen, jetzt in Chantilly (ssehe Fig. 187), ferner die
wundervolle Balustrade der Orgeltribüne und der Tribüne im Chor der Schlosscapelle zu Ecouen , sowie
die Wandvertäfelungen und Schranken derselben, jetzt ebenfalls in Chantilly, gehören gleichfalls hierher,

obgleich sie auch etwas später sein können.
Diesem Typus darf man, stilistisch vielleicht die Chorschranken und die Lettnertreppe rechts im
Chor der Kirche zu St.-Florentin mit dem Motive der Ruinen der Tutelles zu Bordeaux anreihen, selbst

wenn sie ein etwas späteres Datum haben süllten. Ebenso vielleicht das Tabernakel oben rechts an der
Fagade von Notre-Dame zu Tonnerre mit den cannelirten jonischen Pilastern und mit auf Delphinen
reitenden Putten über dem Giebel.
Als etwas verwandte Beispiele einer ähnlichen Richtung sind anzuführen: die obere Hälfte
des Mittelportals der Kirche zu Gisors und die zwei Seitenthore der Kirche zu Pont-Ste.-Marie

bei Troyes.
Nr. 11. Wenn man an das Grabmal Breze von Jean Goujon zu Rouen (ssehe Fig. 212 a) und an 9Z9-
dasjenige Ph. de l’Ormds von Franz I. zu St.-Denis, ferner an den untergegangenen Lettner von Pierre p. ^yPus
Lescot und Jean Goujon in St.-Germain-l’Auxerrois zu Paris denkt, wird es geslattet sein, sseh eine ganze
Kirche aus der Phase des Louvrehofs und der Fontaine des Innocents zu denken.
Die Thurmportale der Schlösser zu Ecouen, Anet und im Louvrehof und ihre von den 2>7 öwzö7z/Fschen
Thurmprojecten für St.-Peter inspirirte Gliederung (ssehe Fig. 314—317) bestätigen dies, gleichfalls der
Typus des etwas späteren neuen Thurms der Kirche zu Gisors, an welchen vielleicht die Vorhalle der
Kathedrale von Auch angeschlossen werden darf. Das zweigeschossige Triumphbogenthor von St.-Nizier
zu Troyes reiht sich diesen Formen an.
Nr. 12. Das Aeussere der Kirche Ste.- Clotilde im Grand-Andely (ssehe Fig. 163) bildet an sich 93°-
allein schon einen Stiltypus, der sich an die beiden vorgehenden zwar anschliesst, aber dennoch seine Typus
Selbsländigkeit bewahrt. Er enthält zwar alle Elemente der beiden letzten Typen, verbindet sie aber mit ste -Clotilde
Uebersetzungen von romanischen und gothischen Gedanken in die Formen der Hoch-Renaissance. aux Andelys.
Das interessante Princip mehrerer Ordnungen von gesteigertem Massstab, wie es Bramante in
St.-Peter angeordnet hatte, kommt hier zur Geltung.

Nr. 13. Als Kirchenfagade der besten classischen Zeit kann diejenige gelten, welche, von einem 93*-
Vorhofe begleitet, in einer der »Petites Vues« Du Cerceaut? dargestellt ist. Wir haben sie wegen des Andere T>P-n-
Systems abwechselnder Giebelreihen schon besprochen 1409). Sie ist durch und durch italienisch und im
Geilte des Entwurfs Fra Giocondo'? für St.-Peter.
Wir erinnern ferner an die Elemente der Fagade von St.-Fizier zu Lyon und der späteren Fagade
der Capuzinerkirche zu Coulommiers.
Nr. 14. Die Pfeiler- und Arcadenbildung der Kirche zu Ennery (ssehe Fig. 178) ist auf dem Wege, 932'
zu einem grossartigen zur Familie der Kathedrale von Granada gehörigen Langhause zu sühren. Ein Gleiches TpPUS
lässt sich von den Pfeilern der Kirche zu Mesnil-Aubry sagen. Die Traveen des Kreuzschiffs der Kirche hohe und weite
St.-Clotilde im Grand-Andely zeigen Anhaltspunkte für andere Ideen der Gliederung. Arcaden.
Nr. 15. Die Capellenschranken der Kathedralen zu Troyes (Fig. 41) und Laon gehören zu einer 933.
in Art. 182, S. 179 besprochenen Richtung, die dafür zeugt, dass man an eine Rolle des Rundbogens, als Typus
weitüberspannendes Element, wie in den römischen Thermen dachte. Der Entwurs einer Schlosscapelle ^Thermei^ *
für den Louvre (1595) (ssehe Fig. 42) bestätigt dies, sowie dass die Meiller des XVI. Jahrhunderts auch
die Weiträumigkeit in die Hoch-Renaissance einzuführen und letztere zu Kirchenformen anzuwenden
wünsehten, die mehr im Geilte dieses Stils waren als eine blosse Verkleidung gothischer Pfeilerformen.

Die Grabcapelle von Anet zeigt ebenfalls etwas von diesem Wunsche.

1409) Abgebildet bei: Geymüller, H. de. Les Du Cerceau, a. a. O., Fig. 105.
 
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