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Ginter, Hermann
Birnau am Bodensee — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.23863#0042
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Armen und ein anmutiges junges Mädchen zur Seite. Im Schwünge
seiner Linien, in der Frische der Farben, im Reichtum der Szenerie
wie in der glücklichen Verbindung von Diesseits und Jenseits, dieser
ausgeprägten Tendenz der kirchlichen Großmalerei des Barock, stellt
die Birnauer Hauptfreske unstreitig eine sehr tüchtige Leistung dar,
im Kranze der ganzen Malerei des Gotteshauses den Höhepunkt.

Leichte seitliche Ausklänge zum Hauptbild zeigen die Zwickel über
dem Josephs- und Erasmusaltar. Ihre Tönung ist von lichter, duf-
tiger Zartheit, die Zeichnung von großer Anmut. Wir sehen auf der
einen Seite den Tod des hl. Joseph, sich passend dem darunter-
slehenden Altar anschließend, gegenüber die Cisterciensernonne Luit-
gard, mit dem Gekreuzigten die Herzen austauschend.

Den Schluß bildet das Fresko des Engelskonzertes über der
Orgelempore. Wie beim Hauptbilde auch hier in kräftigen Farb-
tönen ein Unterbau. Um so duftiger und leichter der Kuppelraum,
der sehr steil hoch steigt und noch diskreter zurücktritt, als es im
vorhergehenden Stücke geschieht. Die Engelgruppen treten dadurch
stärker in den Vordergrund, wie sie auf hereingefluteten Wolkenr-
bänken und -bergen sich niedergelassen haben. In froh und lebhaft
aufrauschendem Crescendo erklingt jubelnde Musik aus Violinen und
Flöten, Trompeten und Waldhörnern, der Gitarre und dem tief-
brummenden Baß wie der dröhnenden Pauke, vor allem aber aus
süßem Engelsmunde selbst, allüberall der köstliche Ernst rest-
losester Hingabe an die hl. Beschäftigung. In großem Rhythmus
meistert ein edel und rassig gezeichneter Engeljüngling, mit Händen
und Füßen dirigierend, mitgerissen und mitreißend, den Jubel-
hymnus. Das ganze Stück in der ungemeinen Kraft der Darstellung,
dem schmissig-großen Wurf wie in der Köstlichkeit des Details eine
glänzende Leistung.

Uns wird das Engelskonzert zum Symbol. Zum Sinnbild für die
Zeit, welche Birnau erstellte. Ein warmes, lebensvoll strömendes
religiöses Fühlen charakterisiert die Mitte des 18. Jahrhunderts im
deutschen Süden und läßt sich nachweisen aus Pfarr- und Kloster-
archiven. Gesteigerte Beligiosität gab den fruchtbaren Boden, auf
dem künstlerisches Schaffen, beseelt von dem ganzen Phantasie-
reichtum und der großen Gemütstiefe des Süddeutschen, eine Blüte
zeitigte, die so stark an jene aus den Tagen deutscher Mystik erinnert und
uns so eindrucksvoll von froher, heiterer Gläubigkeit zu erzählen weiß.

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