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Verfall zugleich; auch Michel Angele nicht, dem man es so häufig nachlagt. Was auf Correggio folgt
ist eine folgerichtige Entwicklung seines Wesens, ein Wuchern mit dem Pfund, das er hinterlasfen; auch
das hohle Virtuosenthum der Barockmalerei ist in ihm schon vorgebildet. So erscheint er uns als der erste
Künstler von völlig modernem Gepräge und zugleich als derjenige, der auf die spätcren Jahrhunderte
wohl den meisten Einssuss geübt hat.
Es ist höchst ausfallend, dass seine eigene Zeit von ihm kaum Notiz nimmt. In dem kleinen
zwischen Modena und Parma gelegenen Landstädtchen Correggio beginnt und beschliesst er seine
künstlerische Laufbahn, die ihm wenig mehr bringt, als die beschränkte Genugthuung localen Ruhmes
inmitten einer allgemeinen Kunstbegeisterung, die auch kleinen Grössen zu lärmenden Triumphen
verhilft. Als in der Folgeltalien zum Bewusstsein seiner Bedeutung kommt, ist das Bild seiner Persönlich-
keit und seines Lebens dem Gedächtnisfe der Nation entschwunden und es bildet sich das bunte Gewebe
von Sagen und Anekdoten heraus, durch welches Correggio's wirkliche Physiognomie für lange Zeit
verhüllt und entstellt wird. Erst den Localforschern des 18. Jahrhunderts1 gelang es, die abenteuerliche
Legende seines Lebens, die ihre höchste Steigerung in der brutal erdichteten Geschichte vom Sack
Kupfergeld gefunden hat, an dem sich der Künstler zu Tode geschleppt haben soll, in jeder Beziehung zu
widerlegen. Was die spärlichen Quellen bieten, das hat nichts mehr von dem romantischen Hauch
eines prüfungsreichen Künstlerlebens an sich; es zeigt vielmehr die Silhouette eines in spiessbürgerlicher
Regelmässigkeit sich abspinnenden Daseins. Um 1494 wird Antonio Allegri — zuweilen nennt er sich
latinisirend „Antonius Lcehis" — zu Correggio geboren. Aus guter Familie slammend, scheint er die
humanistische Bilduno- der Zeit erhalten zu haben. Früh verheiratet er sich mit Girolama Francesca,
die ihm ein nicht unbedeutendes Heiratsgut zubringt. Viel beschäftigt, erhält er für seine Bilder stets
gute Honorare, in einzelnen Fällen sogar Summen, welche sonst nur den Meistumworbenen seiner
Berufsgenossen zukommen. Die Urkunden weisen einen durch Erbschaft und Erwerbung behäbig sich
ausdehnenden Besitzstand nach. Noch kein voller Vierziger stirbt er am 5. März 1534. Drei Töchter
überleben ihn und ein Sohn, Namens Pomponio, welcher, ebenfalls Maler, das geistige wie materielle
Vermächtniss seines Vaters gleich schlecht verwaltet zu haben scheint.
Wie sein Leben, so verläuft auch Correpgio's künstlerisches Wachsthum in gerade aussteig-ender
Linie. In jungen Jahren schon entseheidet er sich für seinen Beruf und hat wohl die erste Lehrzeit in
seinem Geburtsort zugebracht. So allgemein und intensiv war damals das Bedürfniss nach idealer
Gestaltung des äusseren Lebens, dass selbst das abgelegene Landstädtchen eine starke Zahl von
Künstlern aufweist. Es hat sogar eine Malerschule, die um 1600 den stolzen Namen einer Akademie
trägt2. Vorsteher derselben war zu Anfang des 16. Jahrhunderts Antonio Bartolotti — auch Bartolozzi,
mit dem Zunamen Tognino — und neben ihm wirkt Lorenzo Allegri, ein Oheim Correggio's. Durch-
schnittskünstler, oder noch geringer, haben sie ihm wohl nichts als das Technische ihres Faches über-
mittelt und jene Anschauung, mit welcher die künstlerische Atmosphäre der Zeit auch die mindest
Begnadeten erfüllte und durchdrang. Die neueste Forschung3 legt ein starkes Gewicht auf die
1 Einer der ersten, die sich eingehend mit Correggio beschäftigt haben, war Mengs. (Vergl. Opere di Antonio Rasfaello Mengs. Pubblicate
dal Cav. Giuseppe Nicola d'Jzara etc. Parma 1780). In neuerer Zeit hat Julius Meyer („Corregio". Leipzig, 1871) das mühsam gewonnene
Material zu einer abgerundeten, in der ästhetischen Würdigung des Künstlers den Standpunkt abibluter Bewunderung einnehmenden Mono-
graphie zusammengesasst. Kürzlich hat J. P. Richter mDohme's werthvollemSammelwerke „Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit"
(Leipzig, E. A. Seemann, 1879) eine Monographie über Correggio herausgegeben.
2 Vgl. Bigi Cav. Quirino. Notizie di Antonio Allegri, di Antonio Bartolotti etc. Modena, 1873. Das Buch ist bei allen nicht documen-
tirten Angaben mit Vorsicht zu gebrauchen.
3 Vergl. Lermolieff's interessante Ausführungen in Lütaow's „Zeitschrift sür bildende Kunst" Bd. X, S. 330 (Vergl. auch J. P. Richter in
seinem oben cit. Essay über Correggio.)
 
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