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Beziehung Correggio's zur Schule von Ferrara. Der Einssuss derselben ist in einigen seiner frühesten
Bilder erkennbar, aber man kann nicht sagen, class sie seiner schöpferischen Individualität Richtung
gegeben habe. Will man das, was das Wesen seiner Formausfassung bildet, auf Namen zurückführen,
so sind vielmehr Mantegna und Lionardo zu nennen. Nur denke man dabei ankein eigentliches Schüler-
verhältniss. Früh schon mochte Allegri Gelegenheit gefunden haben, die vielen Werke Mantegna s
in Mantua zu sehen. Hier lernte er den Gebrauch der kühnsten Verkürzungen, nur ohne den dogmatisch-
theoretischen Beigeschmack, den sie noch bei Mantegna haben. Perspecftivische Kenntniss und Übung ist
ihm nicht mehr Selbstzweck, sondern nur ein Mittel mehr, seinem unerschöpflichen Gestaltungsdrang
neue und mannigfaltige Formen zu geben. Und ein anderes Mittel hiezu ist ihm das Helldunkel. Er
bedient sich aber desselben nicht mehr suchend und forschend wie Lionardo, sondern mit vollbewusster
Meisterschaft. Freilich wird sich hier nie bestimmen lassen, was auf Rechnung des grossen Lombarden
zu setzen ist, und was Correggio unbewusster Anregung zu verdanken hat. Denn Lionardo ist nur
der Mächtigste in diesem Streben und der Erste zugleich, der es wisfenschaftlich zu fassen sucht. Aber
die Sache selbst kennen viele neben und vor ihm. Fast gleichzeitig mit den perspecftivischen Forschungen
treten auch Versuch undAnwendung des Helldunkels auf. Nicht zufällig, sondern mit unfehlbarer Con-
sequenz, als Forderung des gesteigerten Formgefühls. Erst als zur bewegten verkürzten Contour die
durch alle Schattentöne bis ins höchste Licht geführte Modellirung trat, war der Schein voller Körper-
lichkeit gewonnen. Correggio hat diesen Schein mehr zu erreichen gewusst, als einer seiner Zeitgenossen;
hierin liegt seine Grösse, aber auch das Mass derselben. Das haben die Schriftsteller des 16. Jahrhunderts
wie Vafari, Lomazzo u. A., denen die Muster höchster Kunst noch lebendig vor Augen standen, wohl
erkannt, und selbst der viel spätere Sandrart hat nur ein bedingtes Lob für Correggio. Eigentümlich
ist die Stelluno- der Carracei unkremKündler £eg;enüber. Sie haben das redliche Streben, die Traditionen
der goldenen Zeit wieder zu beleben, aber ihr Eklekticismus bleibt doch nur ein theoretischer. Wie
sür alle Menschen von blossem Talent, hat die technische Fertigkeit, die lebendige, naturwahre Dar-
stellung für sie ein absorbirendes Interesfe. In ihren Werken klingt stets der überwältigende Eindruck
nach, den einst die Fresken in Parma auf den jugendlichen Annibale machten. Der bekannte Brief
den er darüber an seinen Vetter Lodovico schrieb, ist höchst bezeichnend; er betont darin nur das
Technische, das rein Formale und vermag auch Raffael nur von clieser Seite zu beurtheilen. Die Kluft,
die zwischen der Grösse des Einen und der Geschicklichkeit des Anderen besteht, ist ihm nicht mehr
fühlbar. Das ist ein moderner Zug, der immer deutlicher hervortritt. Im 17. und 18. Jahrhundert findet
Correggio aus Kosten aller anderen italienischen Maler unbedingte Hingabe in Schrift wie Bild. In
seiner künstlerischen Würdigung steht Mengs durch Gründlichkeit und Wärme in erster Reihe; das
ästhetische Gewissen des 18. Jahrhunderts spricht aus ihm. Wenn Rafsael und Tizian nebenbei als
Muster angeführt werden, so ist das ein ihrem feststehenden Ruhm gezollter Tribut; der Leitstern aller
thatsächlichen Bestrebuno;en bleibt Corree'"io.
Dieser ungeheuere Einssuss des Meisters ist tief begründet in seinen Vorzügen, fast noch mehr aber
in seinen Mängeln. Zu Ende des 15. Jahrhunderts war die formbefreiende That, an der die vorher-
gegangene Zeit gearbeitet hatte, vollzogen und die Herrschaft über die Darstellungsmittel gewonnen.
Mit diesem Capital werden Pracht und Glanz des Cinquecento bestritten. Aber ganz anders als der
Genius eines Rafsaeloder Michel Angelo, stellt sich Correggio's Talent dazu. Ohne den Adel des Einen,
ohne die Grossartigkeit des Anderen sucht seine malerische, aber einseitige Anschauungweise nur nach
der prägnantesten Darstellung physischer Lebensäusserung. Unmittelbare Realität, umkleidet mit dem
ganzen Zauber rafsinirtest beobachteter Beleuchtungseffecfte, ist sein Ziel. Was nicht in der Erscheinung
schon den Zweck seines Daseins sindet und sein Wesen erschöpft, geht über das Darstellungsvermögen
 
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