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römischen Auffassung näher, als der griechischen, und so ist es kein Wunder, dass er in der Folge den
in Rom empfangenen Eindrücken sich voll hingab; die dramatisch bewegten Gebilde der antiken Kunst,
wie die Laokoongruppe, blieben auf ihn vom nachhaltigsten Einssuss. Aber er war ein zu echter und
selbstständiger Künstler, als dass die Signatur seiner Persönlichkeit nicht selbst da deutlich hervorträte,
wo er antike Vorbilder verwendet. So wie er Mantegna's „Triumphzug Cäsars" in das Rubens'sche
Libersetzte, so behandelte er auch die „Götter Griechenlands". Den Apoll vom Belvedere zieht er herab
vom hohen Piedestal und lässt ihn in seinen Medici-Bildern handelnd auftreten; das herrliche Marmor-
haupt Aphrodite's überhaucht er mit der Milch- und Blut-Gesichtsfarbe seiner heimatlichen Frauen, lässt
es durch eine Fluth goldblonder Haare umssiessen, setzt es auf einen aus federn Fleisch üppig gefügten
Körper und schafft so eine Gestalt, wie sie Griechen und Römer nie gesehen, noch geträumt. Von
dieser freien Übertragung der Antike in seine eigene Formensprache weisen Rubens mythologische
Darstellungen zahlreiche höchst interessante Beispiele auf.
Schon zur Zeit, da Rubens sich noch in Italien aufhielt, malte er mythologische Bilder. Das älteste,
von dem uns berichtet wird, ist ein „Actäon", welches Bild, nach Angabe des Geschichtsschreibers
Scarpone aus Ferrara, vom Herzoge von Mantua durch Rubens selbst an den Herzog Alfons von
Ferrara gesendet ward '. In dieselbe Zeit fällt ohne Zweifel der „trunkene Herkules von einem Faun
und einem Bacchanten unterstützt", der sich heute in der Dresdener Galerie (Nr. 827) befindet und nach
Angabe des Kataloges aus der herzoglichen Galerie in Mantua stammt. Dieses Bild gehört zu den
schönen mythologischen Darstellungen von Rubens und zu seinen besten Arbeiten aus der italienischen Zeit.
Der Gesichtsausdruck des weinfrohen Halbgottes, das schalkhafte, verständnissinnige Lachen seiner
Begleiter, die lebensvollen Bewegungen der tanzenden Bacchanten zeugen für eine wohl durchdachte
Auffassung; die wirkungsvolle Gegenüberstellung von Licht und Schatten in der ersten Manier des
Künstlers und die zwanglos leichte Gruppirung sowie Durchbildung der Figuren lassen erkennen, welche
Meisterichaft in malerischer Beziehung Rubens schon vor seiner Rückkehr aus Italien erlangt hatte. Das
Museum in Cassel besitzt ein herrliches Bild (Nr. 175), das nichts Anderes ist, als eine verkleinerte Behand-
lung desselben Stoffes. Trotz einiger Änderungen in der Composition — wir erwähnen insbesondere den
reizenden kleinen Amor, der aus der Keule des Riesen putzig einher reitet — ist es doch klar, dass Rubens
nur seinen früheren Gedanken wiederholt und zu einem seiner schönsten Cabinetsstücke umgestaltet hat.
Ein anderes Werk von grosser Bedeutung für die Entwicklungsgeschichte unseres Meisters ist sein
„Herkules und Dejanira" im Palazzo Adorno zu Genua. Dieses sehr gut erhaltene, unzweifelhaft noch
in Italien gemalte Bild zeigt uns, welch' grosser Meister Rubens schon in seiner Jugendzeit war und gibt
uns, wie kaum ein anderes Werk, einen klaren Einblick in den Übergang von der ersten Manier des
Künstlers zu seinen folgenden Malweisen. Die Körper heben sich in warmem Licht vom dunklen
Grunde ab; die Gestalt des Halbgottes erinnert an die des Riesen auf der hochberühmten „Kreuz-
aufrichtung" zu Antwerpen. Nach 1610 arbeitete der Künstler vornehmlich auf den Effect des Farben-
glanzes hin und seine Umrisse behalten auf dem dunkleren Grunde noch ihre Schärfe; erst nach 1620
strömen die Lichter breit dahin, die Töne werden blonder und die Contouren minder scharf; nach 1630
endlich ssiessen die Umrisse und Schatten zusammen und die Farbentöne sowie die Lichtmassen werden
mit einander verschmolzen. In die erste Zeit des Meisters gehören auch die prächtigen „zwei trinkenden
Satyrn" in der alten Pinakothek zu München (Nr. 884), mit festen Formen und braunem Fleisch auf
pechschwarzem Hintergrunde, welche fast noch feiner ausgeführt sind, als der „Herkules" in Genua.
1 Rubens copirte 1605, über Austrag des Herzogs von Mantua, zwei Bilder Correggio's aus der herzoglichen Sammlung sür Kaiser
Rudolph II. in Prag. Eines derselben war sehr wahrscheinlich die „Schule Amor's". (Vgl. von Tfchudim den „Graphischen Kunden" Bd.II, S. 9 )
 
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