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Dies wäre anders auch nicht gut möglich gewesen. Wir kennen von Rubens ungefähr 250 mytho-
logische Darstellungen, wobei die lange Reihe der Medici-Bilder, dann seine Malereien in Whitehall,
die Triumphpforte für den Einzug des Cardinal-Infanten und ähnliche mythologisch-allegorische Arbeiten
ebensowenig mitgerechnet sind, wie die nicht geringe Anzahl von mythologischen Zeichnungen zu
Büchertiteln und Vignetten, die er für die Druckerei Moretus und für andere Buchdrucker in Antwerpen
geliefert hat. Nun sind 250 Bilder an sich wahrhaftig ganz ausreichend, die Lebenszeit eines fruchtbaren
Malers auszufüllen; unter dem Namen Rubens aber existiren ungefähr zehnmal so viel Gemälde. Es ist
klar, dass da eine kritische Sichtung noththut,und dass ein grosserTheil der demMeister zugeschriebenen
Werke auf Rechnung seiner Schule gesetzt werden muss. Nirgends aber kommen Wiederholungen
häufiger vor, als in der mythologischen Abtheilung des Werkes von Rubens. So finden wir die „Diana
zur Jagd aufbrechend" fünfmal; viermal die „auf der Jagd rasfende Diana", sechsmal die „von der
Jagd zurückkehrende Diana"; achtmal „Venus, den zur Jagd aufbrechenden Adonis zurückhaltend",
welchen Stofs Rubens von Tizian entlehnt hat; achtmal „Meleager und Atalante" und ebenso oft
„Perseus und Andromeda". Wie schon diese kurze Aufzählung ersehen lässt, sind die meisten dieser
mythologischen Bilder unmittelbar den „Metamorphosen" Ovid's entnommen und illustriren dieselben
fast vollständig. „Apollo und Daphne", „Argus und Jo", „Jupiter und Calisto", „Jupiter und Europa",
„A6täon", „Perseus und Andromeda", „Proserpina's Entführung", „die Entführung der Oreithyia durch
Boreas"', die „Entführung der Deianira und der Hippodamia", '„Meleager und Atalante", „Philemon
und Baucis", „Apoll und Midas", „Orpheus und Euridike", „Thetis und Peleus" und viele andere
Darstellungen sind ohne weiters der „Maler-Bibel" des Ovid entlehnt.
Das Museum von Madrid ist besonders reich an mythologischen Bildern unseres Meisters. Von den
66 Bildern, die ihm dort zugeschrieben werden, bewegt sich fast die Hälfte auf mythologischem Gebiete.
Ein Theil der letzteren dürfte einer zusammenhängenden Reihe von Bildern zum Schmucke eines der
königlichen Paläste angehört haben, da sie bei verschiedener Breite fast dieselbe Höhe haben und
sämmtlich Stoffe aus dem Ovid behandeln. Es sind dies „die Lapithen und Centauren", „die Entführung
der Proserpina", „Juno bildet die Milchstrasse", „Mercur und Argus", „Fortuna", „Vulcan", „Mercur",
„Saturn" und „Ganymed". Die zwei ersterwähnten Bilder gehören zu den am meisten dramatischen
Darstellungen des Künstlers ; die anderen sind weit geringer und zum Theil von Schülerhand2.
Auch von einer anderen speciellen Classe mythologischer Bilder unseres Meisters, von jenen nämlich,
die als Reminiscenzen an Sculpturwerke und geschnittene Steine des Alterthums entstanden sind,
besitzt Madrid die schönsten Arbeiten. Dort hängt das beste Exemplar vom „Urtheil des Paris" mit
lebensgrossen, in Licht und Farbe herrlich strahlenden Figuren; dort befinden sich die lebensgrossen
„drei Grazien", zwar minder farbenprächtig, aber viel vollkommener in der Composition; ferner die
reizende Darstellung von „Perseus und Andromeda", die nicht ganz vollendet im Sterbehause des
Meisters zurückblieb und von Jordaens fertig gemacht wurde. Als dieser Classe von Rubens' mytho-
logischen Bildern angehörend seien hier noch hervorgehoben die beiden Darstellungen der mit ihren
Nymphen von der Jagd zurückkehrenden Diana in der Galerie zu Dresden (Nr. 825 und 826), welche
die volle Schönheit der antiken Composition aufweisen, obgleich die schlanken Formen der Jagdgöttin
und ihres schnellfüssigen Gefolges viel Rubens'sches Fleisch angesetzt haben. Die beiliegende sehr
gelungene Nachbildung des wirkungsvollen Stiches von B.a Bolswert veranschaulicht lebhaft diese schöne

1 Dieses reizende Bild hat Sonnenleiter für unsere Gesellschaft in einem tresflichen Stich reproducirt.
- In seinem „Catälogo de los Cuadros del Museo del Prado de Madrid" (Madrid, 1876) bezeichnet D.Pedro de Madrazo die Darstellungen
der Fortuna (No, 1565), des Vulcan (No. 1597), des Mercur (No. 1598), des Saturn (Nr. 1599) und des Ganymed (Nr. 1600) geradezu als
Decorationsmalereien (,,Cuadros de decoracion").
 
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