Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
62

Kupferstichs sclbst in Frankreich nur dann gesichert, wenn der Staat für die Chalcographie du Louvre, die Stadt
Paris, die Societc francaise de gravure und andere Privatgesellschaften, die Kunstzeitschriften ersten Ranges, wie
LArt und La Gazette des Beaux-Arts und das auch auf dem Gebiete des Linienstiches verdienstlich wirkende
Haus Goupü'm der bisherigen Weise fortfahren, den Stechern bedeutende Aufträge zu ertheilen. Daran ist jedoch
bei dem Verständnisse der culturellen und nationalökonomischen Wichtigkeit sämmtlicher Kunstzweige, welches in
Frankreich fast alle Schichten der Bevölkerung und alle administrativen Kreise durchdringt, glücklicher Weise nicht
zu zweifeln. In einem Lande, welches nach der officiellen Berechnung mehr als tausend Künstler zählt, die sich der
Reproduktion von Kunstwerken durch den Stich, die Radirung, den Holzschnitt und die Lithographie widmen
und wo alljährlich ungefähr vierhundert neue Reprodu6Honen im Salon ausgestellt werden, dürfte auch auf dem
graphischcn Gebiete für die grosse Kunst immer Raum bleiben.
In der Reihe der bedeutenderen Stecher begegnen wir zunächst dem Namen von G. N. Bertinot, der durch
zwei Blätter nach Raffael und Lefueur und durch zwei vortreffliche Porträtstiche sich als Meister des Faches
legitimirt hat. Von A. Blanchard waren drei geistreiche Stiche nach Alma- Tadema zu sehen und überdies, als
Huldigung für die grosse Kunst, ein empfindungsvoll gezeichnetes und in der Farbe gut gerathenes Blatt nach
F. Francia. Durch vier im Auftrage der Societe francaise de gravure reizend gestochene Blätter nach Rassael,
Tizian, Andrea del Sarto und Rembrandt hat sich J. B. DangJiin ebenso als würdiger Schüler Henriquel-Duponts
bewährt, wie A. Didier durch seine Porträtstiche, unter denen wir das Bildniss der Anna Cleve nach Holbein für
die Chalcographie und zwei männliche Porträts nach Raffael und Lionardo hervorheben. Besondere Erwähnung
verdienen die meisterhaft gezeichneten und den Originalen adäquaten kleineren Stiche von H. J. Dubouchet.
Auch L. Flameng greift wohl noch von Zeit zu Zeit nach dem Stichel, den er in Calainatta's Schule zu handhaben
gelernt, aber er ist als der erste und bedeutendste Überläufer in's Lager der Aquafortisten anzusehen, unter
welchen wir ihn wiederfinden. Durch eine Reihe von Stichen nach alten und modernen Meistern hat A.].Huot seine
virtuose, in der Schule von Henriquel-Dupont errungene Technik in ein glänzendes Licht gesetzt; auch J. Jacquet,
J. F. Joubert und J. G. Levasfeur machen derselben Schule Ehre. Der verstorbene A. L. Martinet, ein Schüler
Forßer s war durch eine Auswahl seiner besten Arbeiten, namentlich auf dem Gebiete des Porträtstiches, stark
vertreten. Zwei Blätter von L. Massard nach Bonnat fesselten durch die markige, farbige Behandlung. Von A. A.
Morfe waren mehrere glücklich nachempfundene Stiche zu sehen, an denen die tresssiche Zeichnung zunächst
auffiel. Der durch seine Lehrer higres und Henriquel-Dupont in die classische Richtung zweifach eingeführte,
altbewährte Stecher L. A. Saltnon hatte nur seine neuesten Arbeiten ausgestellt, von denen namentlich der im
Colorit trefflich gerathene Stich nach Giorgione's „ländlichem Concert" aus dem Louvre lebhaftestes Interesse
erregte. Ausser den Genannten waren noch einige jüngere, vielversprechende Stecher vertreten, so dass man
vorläufig gar keinen Grund hat, hinsichtlich des Aussterbens der Kupferstecher in Frankreich Besorgnisse zu hegen
und denselben nur die Fortdauer der bisherigen Unterstützung zu wünschen braucht.
Der interessanteste und geistig bedeutendste unter den jüngeren Stechern Frankreichs ist unstreitig C. F.
Gaillard, der auch als Porträtmaler und Zeichner eines grossen und verdienten Rufes sich erfreut. Dieser Künstler
hat die Technik des Linienstiches verlassen, ohne jedoch, gleich den andern Überläufern, zur Radirnadel zu
greifen; vielmehr hat er sich eine ganz eigenartige Manier zurechtgelegt, die im Wesentlichen darin besteht, dass
seine Arbeiten durch zahlreiche, in den Schattenparthien überaus eng aneinandergerückte Striche, die an den
dunkelsten Stellen beinahe die Oberssäche einer geschabten Platte darbieten, in Licht und Farbe setzt. Auf diese
Weise erzielt Gaillard eine bezaubernde Weichheit und Kraft, namentlich im Porträtstich und in der Wiedergabe
des Nackten. Als Zeichner sucht er unter den jüngeren französischen Stechern seines Gleichen. Seine zahlreichen
ausgestellten Blätter, von denen viele für die Gazette des Beaux Arts gestochen worden sind, bildeten, trotz ihrer
geringen Dimensionen, einen Glanzpunkt der Abtheilung. Die übrigen von der Linienmanier abgefallenen Stecher
haben sich alle der Radirung zugewendet, die gegenwärtig insbesondere in Frankreich viel mehr Modesache
geworden ist, als der gesunden Entwicklung dieser bestechenden Reproduftionsart gut thun dürfte.
Der Altmeister der Aquafortisten war, gleich dem der Stecher, auf der Ausstellung nicht vertreten. Von
Leon Gaucherel, durch dessen Schule fast alle namhaften jungen Pariser Radirer gegangen sind und der in den
letzten Jahren auch als künstlerischer Leiter der Zeitschrift LArt die hohe Blüthe der Radirung in Frankreich
wesentlich gefördert hat, war leider kein einziges Blatt zu sehen; auch unter Aquarellen sliehten wir vergebens
seine reizenden Arbeiten. So stand ein viel jüngerer Künstler, J. F. Jacquemart, in der ersten Reihe der Aqua-
fortisten und erregte durch die geistreiche, den verschiedenartisjsten Vorlagen sich ansehmiegende Behandlung wie


 
Annotationen