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Galerie Schack.
von 1869 datirte Seitenstück gemalt hat, das heute ebenfalls die Galerie Schack ziert. So glücklich er
sich aber auch auf dem klassischen Boden im Kreise seiner Familie gefühlt haben mag — das viel-
bewunderte Idealbild seiner Gattin als Muse, welches er aus Rom zur Münchener Ausstellung 1863
geschickt hat, und das reizende Porträt seines mit einem Hunde spielenden Sohnes geben davon Kunde
— seine äusseren Lebensumstände wollten dort nicht recht vorwärts kommen. Böcklin ging daher als
ihm 1866 der Auftrag winkte, das Stiegenhaus des Baseler Museums mit Fresken zu schmücken in
seine Vaterstadt zurück. Während der fünf Jahre, die er nun daselbst zubrachte, schuf er mehrere
Fresken im Hause des Rathsherrn Sarrasin, deren eine, den „Gang nach Emmaus", der Künstler
später für die Galerie Schack wiederholt hat, und malte sodann im Baseler Museum die Compositionen
al fresco, welche die meergeborne Naturkraft in Gestalt eines schönheitsvollen Weibes, ferner Flora
als Symbol der zeugenden Erde und Apoll als Sonnengott darsteilen. Einige bedeutende Bilder für
die Galerie Schack, namentlich „Der Mörder angesichts der Furien", ferner „Die Drachenhöhle" und
„Der Ritt des Todes" slammen aus der Zeit dieses Aufenthaltes in Basel, von wo Böcklin 1871 aber-
mals an die Isar zoe- In München nun schuf der Künstler sein Meisterstück, das an Originalität der
Erfindung, an Kühnheit und Reiz der Composition, sowie an coloristischer Pracht der Durchführung
in der ganzen modernen Kunst seinesgleichen sucht: die „Meeresidylle" mit der grossen Seeschlange.'
Dieses Bild hat Böcklin nicht überboten- es bezeichnet umsomehr den Höhepunkt seiner Leistungs-
fähigkeit, als er nicht lange nach dessen Entstehen neue Wege einschlug, auf denen ihm ein gleicher
Erfolg bisher nicht beschieden war. Seit 1876 nämlich befindet sich der rastlos wandernde Künstler in
Florenz, wohl weniger aus Rücksicht auf seine materielle Existenz, als aus dem von Pecht hervor-
gehobenen „tieferen Grunde", dass er eigentlich nur eine Heimat hat: die des Schönen. In der Kunst-
stadt am Arno hat Böcklin eine Schule von begeisterten Jüngern um sich gesammelt, obschon dasjenige,
was den Meister auszeichnet, nicht zu den guten Eigenschaften gehört, die der griechische Weise
als erlernbar bezeichnet hat; in wie fern diese junge Schule eine Rolle in der Kunstgeschichte zu
spielen berufen ist, lässt sich vorläufig nicht absehen, da man noch nicht Zeit hatte, sie an den
Früchten zu erkennen. Die eigene Produftion Böcklins seit seiner Übersiedlung nach Florenz ist durch
ein Verlasfen der alten Richtung, zu der er nur gelegentlich zurückkehrt, und durch eine starke
Anlehnung an die Quattrocentisten charakterisirt. Sein bedeutendstes Werk aus der Florentiner
Epoche ist die 1876 gemalte „Kreuzabnahme auf Golgatha", ein Bild, das einerseits grosse Bewunderung,
andererseits grosse Entrüstung hervorrief. Aber selbst jener Kritiker, der auf dasselbe, sowie auf
Böcklin's Produftion überhaupt am schlechtesten zu sprechen ist, Adolf Rofenberg, und der sich
äussert2, dass „selbst die krassesten Realisten der ssandrischen und altkölnischen Malerschulen sich
niemals zu so ungeheuerlichen Karrikaturen verfliegen haben, wie Böcklin in dieser „Kreuzabnahme",
muss zugestehen, dass der Künstler „die Kraft gefunden hat, in dem Kopfe der von Johannes getrotteten
Magdalena einen Abglanz fast überirdischer Schönheit zu zeigen". Welche Entwicklung Böcklin in
Zukunft nehmen wird, lässt sich gegenwärtig in keiner Weise voraussehen, denn noch fleht er in einem
Alter, wo bei einer Produftionskraft gleich der seinigen das Betreten neuer Wege selbst dann nicht
ungewöhnlich erschiene, wenn man es nicht mit einem so ruhelos forschenden, experimentirenden und
mit sich selbst nie zufriedenen Geiste zu thun hätte. Wir beschränken daher unsere Betrachtung seiner
bisherigen Leistung auf jene Epoche, die uns hier zunächst interessirt: auf jene Zeit des Schaffens,
welcher die in der Galerie Schack aufbewahrten Werke Böcklins entflammen.

1 Wir entlehnen die Bezeichnung „Meeresidylle", als die am meisten passende, dem Künstler selbst, welcher sie einem anderen, gleich-
falls eine Nereide mit einem Seeungeheuer darstellenden auf der Parisei- Weltausstellung 1878 exponirten Bilde beigelegt hat,
2 Adols Rosenberg in den „Grenzboten", Jahrgang 38 (1879), No. 10, S. 397.
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