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Böcklin,

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Was an Böcklin's Schöpfungen, namentlich an den in der Galerie Schack befindlichen, zunächst
aufsällt und den bleibendsten allgemeinen Eindruck hinterlässt, ist der durchaus romantische Geist,
in welchem der Künstler classische Motive behandelt. Böcklin hatte aus dem Gymnasium seiner Vater-
stadt einen wohlgefüllten Schulsack auf die Akademie mitgebracht: ihm waren die Werke der classischen
Autoren nicht langweilige Aufgaben gewesen, sondern ein Born reinen Genusses, aus dem er auch nach
überstandener Schulzeit sich häufig erlabte. Jener antike Pantheismus, dem die Natur Alles ist, erscheint
in dem Künstler lebendig; der „grosse Pan", welchem er, wie erwähnt, durch ein merkwürdiges Bild
gehuldigt, ist für ihn noch lange nicht gestorben. Aber zugleich wird Böcklin von einem durchaus
modernen suchenden, ja grübelnden Zuge beherrscht und er behandelt die antiken Motive nicht mit
jener Unbefangenheit, wie sie ein Künstler des Alterthums oder ein Meister der classischen Renaisfance
dargestellt haben würde, sondern sie nehmen bei ihm fast immer eine geistreiche, oft humoristische
Pointe und einen eigenthümlichen Ausdruck an, für den wir keine passendere Bezeichnung finden, als das
vielfach missbrauchte Wort „romantisch". Freilich ist Böcklin's Romantik von ganz eigener Art und nur
dem Geiste nach mit dem verwandt, was die romantische Schule in Deutschland charakterisirt. Böcklin's
Romantik trägt des Gepräge einer aller Fesseln der Naturwahrheit und Convenienz ledigen, rein auf
das Schöne gerichteten Phantasie, die jedoch nur zu oft verleitet wird, unbegreifliche, dämonische, ja
gräisliche Elemente ihren bezaubernden Gebilden einzufügen. Wie herrlich und schönheitsvoll auch
Böcklin's Muse uns oft erscheint, seiten nur fehlt bei näherer Betrachtung in ihrem Antlitz ein unheim-
lich medusenhafter Zug, vor dem wir erbeben. So gleicht Böcklin's Romantik am ehesten jener, in
deren Geist der phantasievollste und erfindungsreichste cleutsche Romantiker, E. T. A. Hosfmann
geschaffen und für welche er in seinen „Serapionsbrüdern" die etwas mystisch klingende Bezeichnung
„serapiontisch" erfunden hat.
Aber nicht nur in der Wahl seiner Stosfe und in dem Geiste ihrer Behandlung tritt bei Böcklin
das romantische Element zu Tage, sondern auch in der äusseren Gestaltung und in dem Colorit seiner
Bilder. Form und Farbe mussen sich — das ist bei Böcklin oberstes Princip — der Idee unterordnen,
welcher das Bild Ausdruck geben soll, mag dieselbe noch so phantastisch, mitunter sogar bizarr sein;
dass hiebei die Naturwahrheit nicht immer am besten wegkommen kann, ist selbstverständlich. Der
Künstler hat eben die Fehler seiner Eigenschaften und je bestechender und origineller die letzteren in
seinen Werken hervortreten, desto crasser und störender erscheinen die ersteren. Eine „rücksichtslose
Verachtung der Form" darf man desshalb dem Künstler nicht vorwerfen, wie Rofenberg es mit herben
Worten gethan, sondern nur eine, mitunter zu weit gehende Opferung der Form im Dienste eines der
zahlreichen ästhetischen Probleme, welche Böcklin sich fast vor einem jeden seiner Bilder aufs Neue
(teilt. Dieser Tendenz seiner Werke, die der Künstler, ohne Rücksicht auf den Erfolg, mehr zu seiner
Befriedigung als für die kaufenden Liebhaber zu malen scheint, mag es auch zuzuschreiben sein, dass
er das unmittelbare Studium der Natur, das Arbeiten nach einem Modell oder in einer Landschaft,
verschmäht, um nicht durch die Wirklichkeit der Objecle von der idealen Gestaltung, die ihm vor-
schwebt, abgezogen zu werden. In gleichem Sinne behandelt er die Farben nicht als Mittel zur
Wiedergabe der Natur, sondern zum Ausdrucke einer Idee oder eines Problemes. Dass etwa dem
physischen Auge des Künstlers die Farben so tief und leuchtend erscheinen, wie er sie zu malen pssegt,
ist nicht anzunehmen. Wir brauchen in der Galerie Schack bloss die in ein bezauberndes Abendlicht
gehüllte ideale Waldlandschaft mit der Staffage einer am rieselnden Quell ruhenden Nymphe, oder die
alle Lenz- und Liebeswonnen unter hesperischem Himmel glühend schildernde ideale Frühlingsland-
schaft näher zu betrachten, um die feine und richtige Farbenempfindung Böcklin's kennen zu lernen.
Ebenso lehrt uns ein Blick auf den in kühnster Verkürzung wundervoll gezeichneten Körper des mit
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