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Galerie Sc hack.
der grossen Seeschlange spielenden Meerweibes, dass Böcklin die menschlichen Formen vollkommen
beherrscht und dass sein von künstlerischen Freunden oft angestauntes Formen- und Farbengedächtniss
das Arbeiten nach der Natur ihm entbehrlich macht. Wahrlich, nicht Mangel an Einsicht oder
Darstellungsvermögen, sondern bewusstes Wollen ist es, das den Künstler mitunter dazu bringt, die
Naturwahrheit ausser Acht zu lassen; für diesen Mangel aber entschädigt er fast immer reichlich durch
den Geist und die malerische Wirkung seiner Arbeiten.
Wenn man an der langen Reihe von Bildern Böcklin's in der Galerie Schack vorüberwandelt
— die übrigen Leistungen des äusserst fruchtbaren Künstlers fallen ausserhalb des Kreises unserer
gegenwärtigen Betrachtung — so wird man auch durch seine glänzende Vielseitigkeit in Bewunderung
versetzt. Dem modernen Realismus haben wir es zunächst zu danken, dass die Künstler in neuerer
Zeit sich zu „Specialitäten" heranzubilden und als solche einen Ruf zu erlangen bemüht sind. Natürlich:
wer sich zum Ziele setzt, die Natur kunstvoll abzuschreiben, der wird um so leichter einen Erfolg
davontragen, je mehr er das Gebiet der nachzuahmenden ObjecJte einschränkt und sonach in der Lage
ist, dasselbe recht häufig zu bearbeiten. Wer aber die Dinge der Aussenwelt nur insoweit darstellt,
als nothwendig ist, um eine Idee zum Ausdruck zu bringen, der muss sich im ganzen Bereiche der
Welt der Erscheinungen bewegen können, namentlich wenn sein Ideenkreis so umfassend ist, wie der
Böcklin's. So ist der Künstler auf dem ganzen Gebiete der Landschaft heimisch. Demselben gehören
mehrere seiner schönsten Bilder in der Galerie Schack an und deren charafteristische Staffage ist, um
einen Vergleich musikalischer Natur zu gebrauchen, nur die Vorzeichnung, welche die Tonart andeutet,
in der das Landschaftsbild componirt ist. Welch' tiefes Naturgefühl, welch' harmonisches Empfinden der
landschaftlichen Umgebung drückt nicht die bereits erwähnte Waldlandschaft mit der Stafsage einer
einsamen Nymphe aus! Diese herrlichen Bäume, deren Kronen die letzte Sonnengluth vergoldet,
diese tiefdunkle Waldschlucht, aus welcher ein silberklarer Quell hervorrieselt, dieses bezaubernde Spiel
zwischen dem entssiehenden Licht und den hereinbrechenden Abendschatten setzen sich zu einem
poesievollen Loblied auf die Waldeinsamkeit zusammen, welches man der schönen, ganz in Natur-
betrachtung versunkenen Hamadryade in den Mund legen möchte. Im Gegensatze hiezu soll die
ebenfalls bereits angeführte „Ideale Frühlingslandschaft" vollen, hochgemuthen Lebensgenuss versinn-
lichen. Da ist eine hohe, arkadengeschmückte, von Blumen und blühendem Gesträuch fast verhüllte
Villa, mit dem Ausblick auf duftige Fernen, unter einem tiefblauen, durch Federwolken wie durch ein
durchsichtiges Spitzengewebe leicht verschleierten Himmel — eine ideale Stätte seiiger Liebesträume.
Gewahrte man auch nicht das Liebespaar unter den Bäumen, den zur Mandoline singenden Jüngling,
die prächtig gekleideten, blumenbekränzten Frauengestalten und die im hohen Gräse Wiesenblumen
pssückenden Amoretten, man würde doch aus der hellen, reizvoll harmonisirten Stimmung der Land-
schaft, wie aus der blühenden italischen Natur errathen, welche Gefühle der hinter dem Maler verborgene
Poet aussprechen wollte. Meisterwerke seelenvoller Stimmungsmalerei sind auch die beiden ziemlich
übereinstimmend componirten Villen am Meeresufer, deren eine unsere Radirung trefflich wiedergibt.
Abermals ein italisches Haus — „auf Säulen ruht sein Dach" — über einem hohen, ins Meer hinein-
ragenden Felsen. Mächtige dunkle Cypressen decken die Villa und schliessen den Garten gegen das
osfene Meer ab; ein tobender Sturm, unter desfen Stössen die Wellen hoch auffchäumen, fährt durch
die Gipfel der Bäume und neigt sie landeinwärts. Eine edle Frauengestalt steht, in einen Trauerschleier
gehüllt, am Ufer der See und starrt hinaus in die Brandung, als sollten ihr die heranprallenden Wogen
den verlornen Geliebten wiederbringen. Tiefe, dustere Trauer spricht aus der formschönen, in vor-
nehmen Linien geführten Composition, deren leicht veränderte Wiederholung, auf der die Abend-
stimmung im dunklen Gezweig der Cypressen ebenso magisch zur Geltung kommt wie in dem tiefblauen,
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