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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 22.1899

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Schölermann, Wilhelm; Berlepsch-Valendas, Hans E. von; Hevesi, Ludwig: Die Jahresmappe der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst 1899: Emil Orlik, Fritz Burger, Felician Freiherr von Myrbach, Hermine Laukota, Friedrich Kallmorgen, Gustav Bamberger, Wilhelm Laage, die Bildstickereien der Frau Henriette Mankiewicz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4071#0105
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langen Strichen, die sich blitzartig leuchtend vom schwarzen Wolkenhintergrunde abheben, die
ersten, schweren Tropfen nieder. Man sieht förmlich, wie Gras und Wasserfläche unter ihrem
Anpralle zittern. Tief im Hintergrunde hat dasselbe Schauspiel bereits etwas früher begonnen und
naht seinem Ende. In breiten Streifen fällt dort ein Regenschauer zur Erde, hinter dem der helle
Sonnenschein die ersten Versuche wagt, von neuem hervorzubrechen. Wir haben den Eindruck
eines fein und zugleich kräftig empfundenen modernen Landschaftsbildes. Überzeugend wirkt der
klare Ausdruck innerer Grösse im leidenschaftlichen Walten der Natur. Alles ist Spannung, Alles
zittert dem Augenblicke entgegen, in welchem Himmel und Erde in titanenhaftem Austausch
stürmischer Gefühle einander in die Arme stürzen. In eine grossartigere Landschaft versetzt, wäre
es eines jener gewaltigen Schauspiele, unter deren Eindruck das alte Griechenland seine tief-
sinnigen Mythen plötzlich ausflammender Liebe der himmlischen Götter zu sterblichen Erdenkindern
gedichtet. In die bescheidenen Formen heimatlichen Bodens gekleidet, findet es das heroische Moment
in der schlichten Kraft des Vortrages, in der Durchdringung einer mächtigen Naturerscheinung mit
poetischem Empfinden.
Dass Laukota in diesem Blatte streng der unmittelbaren Erscheinung folgt, verleiht ihm in
Bezug auf Naturwahrheit manchen Vorzug vor anderen ihrer Compositionen, in welchen die
phantastische Gestaltungskraft, die ihr in hohem Grade eigen ist, die Oberhand gewinnt. Ich denke
dabei vor allern an eine Folge von acht Radirungen, die den Titel »Erdendunst« führt. Der erste
Vers aus Goethes »Gesang der Geister über den Wassern« hat die Anregung zu diesem, zum
Theile erst im Entwürfe vorhandenen Cyclus gegeben.
Den Monismus unseres Xaturempfindens, dem der Dichter hier Ausdruck verleiht, bildlich
darzustellen, ist ein echt moderner Gedanke und man verfolgt die Absicht der Künstlerin mit umso
grösserem Interesse, wenn man sieht, dass es sich nicht um Illustrationen der Dichtung, sondern
um freie Variationen des vom Dichter gegebenen Themas handelt. Die Folge beginnt mit dem
»Erwachen« und schliesst mit der »Rückkehr«. Dazwischen reihen sich ein: »Aförzsturm«, »Heiterer
Tag«, »Ziehende Nebel«, »Ringen«, »Stumpfe Ruhe« und »Abendgewölk«. Im »Erwachen« sehen wii
am frühen Morgen die erste Wolke aus dem Meere zum Felsenufer hinansteigen. Duftige Gestalten,
auf Wolkenballen gelagert, in Nebel gebettet, von Dunstschleiern umhüllt, schweben voran und als
letzte, die Fusspitzen noch vom Schaum der Wellen benetzt, ein schlankes Mädchen, träumerisch
und willenlos Abschied nehmend von der wonnigen Tiefe. — In der »Rückkehr« dagegen senkt
sich im Lichte der untergehenden Sonne das duftige Abendwölkchen wieder zum schwarzen
Meeresspiegel herab. Eine emporsteigende Najade empfängt den sehnsuchtsvoll erwarteten
Geliebten, andere undeutliche Köpfchen kommen hier und dort zum Vorschein, und wo der Dunst-
knäuel am dichtesten ist, lagert müde vom lustigen Treiben des Tages, sanft hingestreckt, ein
zartes Mädchen, die duftigste Blüthe dieser rosigen Wolkenphantasie.
Zwischen diesen beiden Scenen, dem »Erwachen« und der »Rückkehr« spielen sich ohne engere
gegenseitige Beziehung die übrigen Vorgänge ab. Von diesen Blättern wurde das fünfte, »Ringen«,
in verkleinertem Masstabe hier reproducirt. Es ist in seiner Gesammterscheinung das wirkungs-
vollste. Ringergruppen erscheinen im wildbewegten Gewittersturme. Menschen werden Wolken,
Wolken werden Menschen und in sinnigem Parallelismus verfolgen wir den mit elementarer Gewalt
sich vollziehenden Kampf. Aus finsterer Nacht, von unsichtbaren Blitzen erhellt, leuchtet die
Silberwolke, die uns in ihrem menschenerfüllten Kerne das innere Leben der Natur enthüllt. Manche
Bewegung könnte vielleicht ausdrucksvoller, manche Beziehung klarer dargestellt sein, aber das
Ganze ist edel durchgeführt und nicht ohne Kraft und Schwung. Dieselbe, oft nur andeutungsweise
 
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