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Steht er der Natur gegenüber, so kommt ihm keinen Augenblick der Gedanke an Publicum oder
Erfolg. Er ist ganz bei der Sache, er will, was er sieht, nur ausdrücken, so wie er es empfindet. Er
will niemand verblüffen, sei es wer immer; ebensowenig wird er selbst von dem, was er vor
Augen hat, verblüfft, sondern es entzückt ihn. Und dieses Entzücken sucht er auszudrücken: das
ist alles. Nie wählt er ein auffallendes Motiv, nie auch will er seine Motive mit aller Gewalt effectvoll
in Scene setzen. Der Horizont wird nicht zu hoch und nicht zu tief angenommen. Seine Bilder
zeigen den Einschnitt im Walde oder am Flussufer, der durch die französische Schule classisch
geworden ist und den man heute selbst bei den letzten Erben der Meister von 1830 findet:
bei Harpignies, bei dem verstorbenen Francais und bei Emile Isenbart aus der Franche-
Comte, den Francais »seinen Sohn« zu nennen pflegte. Es ist heute nur mehr eine kleine
Schaar, die diesen einfachen, vertrauten Motiven treu geblieben ist. Die Zeit, die Meyer-
Basel dadurch gewinnt, dass er nicht lange wählt, verwendet er dazu, seine Zeichnung und
Radirung um so sorgfältiger zu behandeln. Er radirt oft unmittelbar nach der Natur. Die so
gearbeiteten Platten sind leicht kenntlich: die Darstellung erscheint, da er dabei nicht mit dem
Spiegel arbeitet, im Drucke imGegensinne. In diesem Falle ist es besser, die dargestellte Gegend nicht in
Wirklichkeit zu kennen. Für uns wenigstens ist bei zwei sonst ausgezeichneten Radirungen Meyer-
Basels die Bewunderung wegen des störenden Gegensinnes etwas mit Bedauern gemischt.
Wir meinen den köstlichen »Blick auf Ermatingen und Constanz von Arenenberg aus«,und
das Blatt mit dem anderen Ufer desselben Zellersces: im Vordergrunde Pfähle und Stangen, die
sich im Wasser biegen, links ein altes Thurgauer Haus mit seinem Thürmchen und ein Paar
Zwetschkenbäume auf dem kleinen Platze, in der Ferne wiederum die Landenge von Constanz
mit der charakteristischen Silhouette des Domes.

Das gesammte Werk Meyer-Basels, Radirungen, Vernis-mous, Trockenstiftarbeiten und
Algraphien, könnte man leicht in zwei Mappen auftheilen, die zu benennen wären: Rhein und Boden-
see, Umgebung von München und Oberbayern. Dazu kämen noch einige Blätter, die der Künstler
von den Ufern der Lahn und den fetten Gefilden Hessens heimgebracht hat.

Der Rhein: da ist vor allem Basel, die geliebte Vaterstadt, die hohen Ufer des Flusses und
die Wiesen von Grenzach im Vordergrunde und die dreifache Ferne des Jura, der Vogesen und
des Schwarzwaldes, dann gleich nach der ersten Brücke die Biegung des grossen deutschen
Flusses nach Norden. Das Wiesenstück rechts vorne ist erfüllt von Sonne und hängt über den
Fluss vor, eine steife Pappel durchbricht die wagrechte Linie der Brücke. Weiter unten am Rhein
steht eine Fischerhütte auf Piloten, und an gekreuzten Stangen hängen die Netze. Dieses Hand-
werkszeug der Leute, die am Wasser leben, findet sich oft auf seinen Arbeiten. So finden wir es
mit liebevollster Sorgfalt beobachtet auf der schönen Radirung, die ein geschichtliches Denkmal in
prachtvoll malerischer Weise vor Augen führt: die alte gedeckte Holzbrücke bei Rheinfelde n
mit ihren thurmhohen Pfeilern.

Vom Bodensee liebt er vor allem den kleinen, den sogenannten Zellersee, der diese Vorliebe
auch im hohen Grade verdient. Die Fischer- und Winzerdörfer, wie Gottlieben, Mannendorf,
Ermatingen mit ihrer alten Schweizer Holzarchitektur, die Weinberge und Obstgärten: das sind für den
Künstler unschätzbare Schlupfwinkel und Oasen. Dazu kommt noch das eigenartigeLeben an und auf
diesem See. Und zwar meinen wir da nicht das unablässige Kommen und Gehen der bunten Dampfer
und ihre neue Poesie, die Storm van's Gravesande zugefallen ist, sondern die einfachen Fischerbarken:
die einen sind an den Strand gezogen oder hängen an den Wogenbrechern, die anderen schaukeln sich
leicht auf der Fluth und gleichen mit der dünnen krummen Stange an ihrem Vordertheil den
 
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