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Imitatoren wird die wachsende Zeit verdrängen. Etwas Sehlechtes wird meist zustande kommen,
wenn das Anders-sein-wollen allein das treibende Motiv war und der Zweck wenig oder gar
nicht beachtet wurde. Bücher will man vor allem lesen können und ihre gute Lesbarkeit ist die
erste Bedingung ihrer Schönheit. Man kann das an dem, was in den Vereinigten Staaten gedruckt
wird, als an einem guten Beispiel zeigen. Die Sparsamkeit des Amerikaners mit seiner Zeit und
die Richtung seines Sinnes auf das Praktische haben die Typographien und Buchkünstler dieses
Landes immer vor demeinen bewahrt, die Neuheit und den Glanz ihrer Bücher auf Kosten der
Unlesbarkeit zu erreichen, worin man gerade in Deutschland, das noch dazu die gothische Schrift
als von den Vätern ererbtes Übel hütet, oft so Erstaunliches geleistet sieht. Hier glaubt man mit
einer neuen Type schon alles Xöthige gethan zu haben, und die Laune des Erfinders gilt je
barocker umso besser. Weniges macht da eine Ausnahme, wie manche Publicationen des Insel-
Verlages oder die Drucke von Peter Behrens. Der Typenreichthum eines guten amerikanischen
Druckes ist nicht so gross wie der eines besseren deutschen, aber er ist von der lesbaren, darum
besseren Qualität. Man muss auf diese Zustände der Druckschrift zurückgehen, wenn man von
der Buchillustration sprechen will, denn die Art dieser ist von der der anderen bedingt: schlechter
Buchdruck hat immer auch schlechte Buchillustration zur Folge. Wo man keinen Sinn für die
typographische Gestalt des Buches hat, dort ist auch die alte Erfahrung verloren gegangen, dass
jede Illustration ein typographischer Schmuck ist, nicht ein willkürliches Mit-Bilderi>Versehen
eines Textes zum Zwecke eines »Prachtwerkes«. Man muss sich überhaupt bei der Besprechung
der Buchausstattung um den Beweis von Wahrheiten bemühen, die für den Kenner schon Gemein-
plätze geworden sind — so sehr ist die gute Tradition des Buches dem allgemeinen Bewusstsein
entschwunden. Man muss darauf hinweisen, dass eine Buchillustration mit der Buchpresse her-
stellbar sein muss, wenn das Buch seine Einheit bewahren und nicht in Text und illustrirte
Beigabe zerfallen soll. Man muss es immer wieder sagen, dass zwischen Text und Schmuck ein
technischer Zusammenhang vor allem bestehen muss, dass der Bildinhalt der Illustration, wenn
überhaupt, so erst in zweiter Reihe in Frage kommt. Die Wiedererkenntnis dieser Verhältnisse
wird in der letzten Zeit allgemeiner; schon entfernt sich der erstarkende Geschmack immer mehr
von der früheren Gewohnheit, die dem zeichnenden Künstler nur die Aufgabe zuerkannte, dass
er mit seinen Mitteln nochmals das sage, was der schreibende mit den seinen schon gesagt hat. Die
»illustrirte Scene« findet man fast nur mehr als Reclame auf dem Umschlag der sensationellen
Literatur; in den Büchern mit künstlerischen Ambitionen verschwindet sie immer mehr oder sie
wird selbständig, das heisst der Künstler reproducirt nicht den Vorgang im Buche, sondern seinen
Eindruck davon; er langweilt die Phantasie des Lesers nicht mehr, indem er sie bindet, sondern
regt sie stärker an, indem er sie weiterführt. Man möge sich hier der Zeichnungen Beardsleys
zu 0. Wildes Salome als eines guten Beispiels erinnern oder der Art, wie der Dichter E. R. Weiss
sein Buch »Der Wanderer« illustrirt hat. Die Zeichner halten gewissermassen den mitschwingen-
den Überton der Dichtung in ihren Illustrationen fest, in einem Vollbilde oder — was häufiger
wird — in einem Ornament als Randleiste, Initiale oder Schlusstück. Dass diese letzte Art des
Buchschmuckes an Verbreitung gewinnt und die eigentliche Illustration zurücktritt, hängt mit der
grösseren Beachtung zusammen, die man der Type schenkt und der wachsenden Einsicht, dass
auch die freiest behandelte Blattillustration sich nur schwer dem Typenbilde einordnet, ganz abge-
sehen davon, dass sie den Text gewaltsam unterbricht.

Man wird in einer nächsten Zukunft eine Buchausstattung herrschend finden, die auf alles
Illustrative verzichtend in der Wirkung einer guten Type und einer harmonischen Raumtheilung
 
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