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an, der Himmel steht mit Wolkenbällchen angefüllt. — Fast
alle Drucke entstehen erst nach langem Studium und man
kann sagen, Eichler arbeitet in jedes Blatt sein Herzblut
hinein. Seine Sachen sind ihm ans Herz gewachsen wie
einer Mutter die Kinder; er hat eine innige Freude, wenn
alles wohl gelingt, aber auch eine masslose Wuth, »wenn
die Sache schief geht«. So vorzüglich und eindrucksvoll
componirte und gedruckte Blätter wie etwa das halb
feierliche, halb humoristische »Nun ruhen alle Wälder«
mit dem Gegensatz einer himmlisch stillen Nacht auf dem
Lande und dem Nachttreiben am elektrisch beleuchteten
Münchener Karlsplatz mit der köstlich verwendeten Eisen-
construction oder der märchenhafte riesige Winter im
weissen Paletot, der den Herbst im apfelgemusterten
Gewand vertreibt, der Vater Herbst selbst mit dem
grünen Jagdhütel und dem Sack voll Nüsse, der sich so
unendlich freut, dass nun sein Reich beginnt, das ist
beste Volkskunst, gewachsen auf heimatlicher Scholle,
dichterisch und gesund. Der geistigen Veranlagung
nach gehört Eichler zum Stamme Schwinds. Ihm eignet
das stark Volksthümliche, das sinnig Poetische, der
erfinderische, zur märchenhaften Gestaltung neigende Zug,
die schwärmerische Liebe zur Musik, der warme deutsche
Humor, der sich zuweilen zum Ernsthaft-Satirischen
zuspitzt. In der Formgebung aber steht Eichler mehr
als Schwind auf dem Boden der Wirklichkeit, wie
er als Sohn der neuen Farbenanschauung ihn auch in
der Beherrschung von Ton und Farbe natürlich übertrifft. Seine Nixen stehen nicht
zwischen Griechin und dramatischem Sopran; sie sind derber, nordischer, überhaupt ist alles
unmittelbarer, Gestaltung bestimmter, differenzirter Naturwirkungen. So ist zum Beispiel das Kalte,
Schreckhafte alter Brunnen gegeben in dem froschgrünen, klebrigen, unbeweglichen Nix des Blattes:
»In unserem Brunnen haust ein Nix«; der abendliche Heuduft in dem Bilde, in dem ein gesundes
Mädchen nach der Arbeit kräftigen Schrittes durch Heuhaufen zur Liebe eilt, oder er stellt dar
die unheimliche Wirkung der Schlinggewächse, die sich beim Baden um den Leib der Seerosen
sammelnden Knaben winden, die nächtliche Ruhe des Garbenfeldes in den »müden Schnittern«,
die Märchenbangigkeit der Kinder im bluttriefenden Menschenfresser.
Am nächsten verwandt mit Eichler scheint Walter Georgi, wie Eichler ein Sachse, aber ein
Kind der Grosstadt. Es ist nicht ohne Interesse, wie er selbst seinen Studiengang auffasst.
Nach dem Gymnasium besuchte er die Leipziger Akademie, wo er bei Wehle einen sehr guten
Unterricht genoss. »Nachdem ich bei ihm die Gipsclasse (nach Naturabgüssen) durchgemacht hatte,
sollte ich in die Geheimnisse der Malerei eingeweihtwerden, aber auf Rath meiner Lehrer und durch
eigenen Abscheu vor diesen Geheimnissen bewogen, zog ich es nach Abdienung des Einjährigen
vor, nach Dresden in die Akademie überzusiedeln. Dort war ich in der Malclasse bei Pohle; auch
dieser war ein guter Lehrer, der, wenn auch in etwas älterer Art, stets auf gute Zeichnung
R. M. Eichler, Studie.
an, der Himmel steht mit Wolkenbällchen angefüllt. — Fast
alle Drucke entstehen erst nach langem Studium und man
kann sagen, Eichler arbeitet in jedes Blatt sein Herzblut
hinein. Seine Sachen sind ihm ans Herz gewachsen wie
einer Mutter die Kinder; er hat eine innige Freude, wenn
alles wohl gelingt, aber auch eine masslose Wuth, »wenn
die Sache schief geht«. So vorzüglich und eindrucksvoll
componirte und gedruckte Blätter wie etwa das halb
feierliche, halb humoristische »Nun ruhen alle Wälder«
mit dem Gegensatz einer himmlisch stillen Nacht auf dem
Lande und dem Nachttreiben am elektrisch beleuchteten
Münchener Karlsplatz mit der köstlich verwendeten Eisen-
construction oder der märchenhafte riesige Winter im
weissen Paletot, der den Herbst im apfelgemusterten
Gewand vertreibt, der Vater Herbst selbst mit dem
grünen Jagdhütel und dem Sack voll Nüsse, der sich so
unendlich freut, dass nun sein Reich beginnt, das ist
beste Volkskunst, gewachsen auf heimatlicher Scholle,
dichterisch und gesund. Der geistigen Veranlagung
nach gehört Eichler zum Stamme Schwinds. Ihm eignet
das stark Volksthümliche, das sinnig Poetische, der
erfinderische, zur märchenhaften Gestaltung neigende Zug,
die schwärmerische Liebe zur Musik, der warme deutsche
Humor, der sich zuweilen zum Ernsthaft-Satirischen
zuspitzt. In der Formgebung aber steht Eichler mehr
als Schwind auf dem Boden der Wirklichkeit, wie
er als Sohn der neuen Farbenanschauung ihn auch in
der Beherrschung von Ton und Farbe natürlich übertrifft. Seine Nixen stehen nicht
zwischen Griechin und dramatischem Sopran; sie sind derber, nordischer, überhaupt ist alles
unmittelbarer, Gestaltung bestimmter, differenzirter Naturwirkungen. So ist zum Beispiel das Kalte,
Schreckhafte alter Brunnen gegeben in dem froschgrünen, klebrigen, unbeweglichen Nix des Blattes:
»In unserem Brunnen haust ein Nix«; der abendliche Heuduft in dem Bilde, in dem ein gesundes
Mädchen nach der Arbeit kräftigen Schrittes durch Heuhaufen zur Liebe eilt, oder er stellt dar
die unheimliche Wirkung der Schlinggewächse, die sich beim Baden um den Leib der Seerosen
sammelnden Knaben winden, die nächtliche Ruhe des Garbenfeldes in den »müden Schnittern«,
die Märchenbangigkeit der Kinder im bluttriefenden Menschenfresser.
Am nächsten verwandt mit Eichler scheint Walter Georgi, wie Eichler ein Sachse, aber ein
Kind der Grosstadt. Es ist nicht ohne Interesse, wie er selbst seinen Studiengang auffasst.
Nach dem Gymnasium besuchte er die Leipziger Akademie, wo er bei Wehle einen sehr guten
Unterricht genoss. »Nachdem ich bei ihm die Gipsclasse (nach Naturabgüssen) durchgemacht hatte,
sollte ich in die Geheimnisse der Malerei eingeweihtwerden, aber auf Rath meiner Lehrer und durch
eigenen Abscheu vor diesen Geheimnissen bewogen, zog ich es nach Abdienung des Einjährigen
vor, nach Dresden in die Akademie überzusiedeln. Dort war ich in der Malclasse bei Pohle; auch
dieser war ein guter Lehrer, der, wenn auch in etwas älterer Art, stets auf gute Zeichnung
R. M. Eichler, Studie.