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Ausstattung vom Grössten bis zum Kleinsten ihm übertragen war, verzichten in kluger Weise auf
die Darstellung »musikalischer« Scenen, mit denen man bisher nicht sehr viel Glück gehabt, sondern
symbolisiren allgemeine musikalische Stimmungen. Das melancholische »Adagio« wird dargestellt
durch eine vornehme modern gekleidete Dame im Hut, die mit zerbrochener Laute in einer Abend-
landschaft sitzt, neben ihr auf der rothen Bank eine unheimliche weisse Angorakatze, im Hinter-
grund ein weisses lang gestrecktes Schloss. Das ganze Bild beruht auf der Horizontale. Eine
erotische Allegrostimmung klingt aus dem zweiten Bild, in dem ein schwarzer abenteuerlicher
Ritter auf mächtigem Rosse einer blonden und schwarzen Schönheit unter einem Blütenbaum
eine Rose bietet: im Hintergrunde blaut die Silhouette von Paris; das linke Seitenbild zeigt einen
ernsten jünglingshaften Eros von strengen Formen, das rechte einen tanzenden Faun im Gebüsch.
Für den »Tanz« wählte Erler Salome, wie sie nach dem Tanze sitzend das Haupt des Täufers im
Schosse hält, eine Vorstellung von dämonischem Zauber. Hieran schliesst sich als tosendes
»Furioso« ein wilder Eroberer mit thierischem Antlitz; er steht auf einem Hügel von Schädeln, im
Hintergrund flutet eine Wolke von Rauch aus der verbrannten Stadt; aus dem gewaltigen Thor
strömen die Besiegten. Ein übermüthiges Scherzo von Beethovenschem Humor bildet den
Schluss: ein prachtvoller, germanischer Held zieht im Tanze einen mächtigen Bären an einer
Guirlande von Ebereschenfrüchten nach sich. Die Originalität der Erfindung, die Abgewogenheit der
Composition, die tiefsinnig gemüthvolle, echt deutsche Empfindung, vor allem aber das Helden-
mässige und Monumentale der Gesammtanschauung verleihen diesen Arbeiten jenen dauernden
Wert, der nur über Werken liegt, in deren Schöpfer sich eine dionysische Empfindung mit einem
hochgebildeten Kunstverstand die Wage hält.

Nur ungern habe ich in der vorstehenden Übersicht davon Umgang genommen, lediglich aus
Raummangel, manchen talentvollen, tüchtigen und sinnigen Zeichner zu würdigen, wie Heilemann,
Schulz, Rossmann, Zumbusch, Fidus, den erst neuerdings in der Jugend aufgetretenen, trefflich
in ihren künstlerischen Theil passenden Leo Putz, Bernuth, den ganz hervorragend begabten
poetischen Richard Pfeiffer, einen blutjungen Schlesier von erquickendem Vorstellungsreichthum,
den aparten Deutschrussen Salzmann, Kubinyi, einen geborenen Humoristen u. a. Ist doch auch
damit noch lange nicht die stattliche Schar derer voll, die sich heute in München dem decorativen
Druck widmen. Mag manche Arbeit unter diesen Veröffentlichungen sein, die der Tag nimmt, wie
sie der Tag gebracht. Immerhin ist doch vieles darunter, was ein Stück Zeitgeschichte
und nicht ihr schlechtestes Stück enthält. Es steht zu hoffen, dass sich die Kräfte, die
heute in Jugendlust aus dem Vollen schaffen, immer reicher entwickeln, wenn nur die
Redactionen klug sind und nicht das Gefälligste, sondern das Beste ans Licht stellen. Dann wird
auch der farbige decorative Druck wohl mehr und mehr zu dem wahrhaft volksthümlichen Leben
gelangen, zu dem er nach seiner Technik und der blühenden Kraft seiner Münchener Vertreter
berufen erscheint.

K. Mayr.
 
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