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Eugen Kirchner, Wenduyne. Hleistiftzeiclmung.

gemauerten Untergrund, auf dem sich hernach das leicht gezimmerte Haus eines scheinbar
ephemeren Bilderscherzes aufbaut. Kirchner zeichnet wie Menzel. Das ist keine Hyperbel und soll
nicht nur auf die Gediegenheit seiner technischen Durchbildung bezogen werden, sondern auch auf
den in ihm lebendigen Trieb, was er in seiner Umgebung sieht und was ihn künstlerisch reizt, mit
Stift oder Farbe wiederzugeben.

Namentlich sind die Bleistiftzeichnungen des Künstlers, deren Motive vielfach der engeren und
weiteren Umgebung Münchens entlehnt sind, von einer unerhörten Gewissenhaftigkeit und in
ihren Abstufungen vom Vordergrund bis in die fernsten Fernen von einer solchen Tiefe, einem
solchen Reichtum der Tonskala, daß ich ihnen nichts Ebenbürtiges an die Seite zu stellen wüßte,
auch unter den Tausenden von Zeichnungen Menzels nicht, bei denen wir doch in erster Linie
immer noch die zeichnerische Routine und die Treffsicherheit des schnell erfassenden Blickes
bewundern.

Kirchners Landschaftsstudien geben mehr, mir wenigstens geben sie mehr, denn ich erkenne
in ihnen einen Einschlag von Innerlichkeit, von stiller Verliebtheit in das Motiv, wie sie von Rechts
wegen allen Emanationen wirklicher Kunst eignen sollten. Ob er am Ammersee sanft ansteigende
Ackerfurchen porträtiert und grüne Uferhügel, hinter denen aus dichten Bäumen ein weißer Kirch-
turm aufragt, indes vor den verschwimmenden Höhen des jenseitigen Ufers ein schmaler Streifen
des Seespiegels herüberglänzt, ob er die feine Silhouette des mit dünnen Bäumchen bestandenen
Höhenrückens vom klaren Abendhimmel scharf absetzt oder Züge von Möven und Raben im Nebel
verfolgt, immer ist es die intime Beobachtung eines bescheidenen Stückleins Natur, eines welt-
fernen Erdenwinkels, deren poetischen Reiz er uns mit den einfachsten Mitteln vor die Seele zu
zaubern versteht. Kirchners Skizzenbuchblätter haben in ihrem schlichten Streben, die Farbigkeit
der Welt nur mit Bleistift und Papierton wiederzugeben, etwas Rührendes und Bewunderungs-
würdiges zugleich, etwas Unbeholfenes und Sieghaftes. Er trachtet, wie es Paul Verlaine vom
Poeten fordert, mehr nach der Nuance als nach der Farbe:

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