Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 38.1915

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4206#0114
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
einer Halbbildung .... und als höchstes Ideal ein guter Platz in der Ausstellung, schnelle
Arbeit und viel Geld verdienen. Dort Bildung des Geistes zur Tiefe, Religion, Weltanschauung,
die Kunst ein edles Mittel bloß, um das Leben harmonisch zu gestalten, aus dem Handwerk,
hervorgewachsen, es auch beherrschend«. Ist's nicht die ewige Klage des künstlerischen Voll-
menschen, die aus diesen Worten spricht? Ist's nicht aber zugleich der Stempel des Denkers, der
solchen Worten die Prägung gegeben? Jawohl, des Denkers, der in den Geist deutscher
Philosophie eingedrungen ist, der schon verhältnismäßig früh die Weltbilder eines Kant und
Schopenhauer in sich aufgenommen hat. So reicht also an dieser Stelle der Wahrheitssucher im
Künstler dem Wahrheitssucher im Philosophen feierlich die Hand und treten beide, also gefestigt,
mit sicherem Schritte dem realen Leben gegenüber. »Im Leben Tüchtigkeit und Bedürfnislosigkeit.
So kann es nicht fehlen, dem Bessern zum Siege zu verhelfen«. So sagt es Hammer selbst in dem
vorhin zitierten Schreiben. Daß er als Künstler, der er doch in seinem tiefsten Innern ist und bleibt,
dieses sein Verhältnis zum Alltagsleben auf der Grundlage — des Handwerks sucht, möchte ich
einen Zug genialer Einsicht nennen. Dieserart kam Hammer auf die Buchbinderei, die er zwar als
Liebhaber, aber auch als fertiger Meister ausübt, so kam er auf die Handschrift, deren
persönlicher Duktus ihm mehr ist als bloße Spielerei, so kam er auf das Studium der Architektur,
das freilich durch sein Einrücken ins Feld jäh unterbrochen worden ist. In seinem engern Berufe
aber, in der Ölmalerei, beschäftigt ihn stark die Bildung einer rationellen Technik, die er heute für
vollständig verlorengegangen ansieht. »Aber wo fange ich an, die Welt zu verbessern«,
ruft er im Zusammenhange damit gelegentlich aus — und antwortet, sehr einsichtsvoll: »Doch
zunächst an mir selber, meinem Hause, meiner Familie und — meinen Schülern«. »War mir
früher«, setzt er dann ein wenig nachdenklich hinzu, »der Gedanke, eine Schule zu haben,
gräßlich, so beschäftige ich mich jetzt schon gerne damit. Man könnte das wenige, was man
weiß, mit Hilfe von jungen Kräften ausbauen, mit Demut und Geduld vielleicht doch einen
richtigen Weg weisen. Man könnte langsam die Akademie umgestalten, nicht indem man großartige
Reformen einführt, sondern indem man wenige tüchtige Leute nicht allein zu Ausstellungs-
bildermalern heranbildet«.

Es wäre sehr zu wünschen, daß auch Viktor Hammer einst dazu berufen wird, an der
Verwirklichung dieses schönen Planes werktätig Anteil zu nehmen.

F. v. Feldegg.
 
Annotationen