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nannte sie »einen aus dem Mistbeet menschlicherSchwäche emporgeschossenen Bestandteil bcruhnitfi-
Kerle« — schmeichelten, er mußte sich doch sagen, daß sie mehr dem patriotischen Gehalt eines
abgegrenzten Teiles seiner Lebensarbeit als der Gesamtleistung galten. So volkstümlich er war,
diese Popularität klammerte sich doch an Äußerlichkeiten sowohl seiner Kunst wie seiner Person.
Manchmal war es nur der Name. Es konnte vorkommen, daß man ihn auf Wolfgang Menzels
Geschichte der Deutschen brieflich ausforschte, daß ein Harmloser ihm die Photographie seines Söhn-
chens als Unterlage für ein Porträt zusandte, daß ein dritter ihn um Kopistenarbeit anging — alles
dies in den Jahren, wo schon der Stern des Schwarzen Adlers seinen Hoffrack zierte. Er bekam
auch von Kennerseite Sauersüßes zu schmecken und konnte wie der alte Derfflinger sagen, »aber
dem Sauren war mehr«. Das Lear-Schicksal der Altgewordenen traf auch ihn. Die Jugend, so sehr
sie ihm äußerlich huldigte, lief auf ganz andern Straßen ihren Zielen zu. Da wandte er sich mit
grimmigem Humor ab und rief ihr das von friderizianischer Schärfe blitzende Scheltwort nach:
Impressionismus ist die Kunst der Faulheit.

Sein Ruhm war ein Mythus geworden, er selbst eine Sehenswürdigkeit. Da kam sein Tod,
lang erwartet und doch alle überraschend. Der großen Lücke, die der kleine Mann riß, ward man
sich jäh bewußt. Jetzt galt es zu ermessen, was man so lang bequem besessen und nun verloren hatte.
Die ganze Nationalgalerie füllte sich mit der unabsehbaren Lebensarbeit des Künstlers; das ver-
ödete Atelier in der Sigismundstraße gab seine ängstlich gehüteten Schätze bis auf den letzten her.
Die Menge dessen, was man sah, ging über alle Vorstellung; ein Einzelner schien hier die Arbeit
von Generationen bewältigt zu haben. Und innerhalb des Ganzen »keine toten Flächen«, immer
die gleiche geistige Spannkraft von der kleinsten Skizze bis zur umfänglichen Massendarstellung.
So hätte es denn Fontane getroffen, als er unter ein Bildnis Menzels schrieb:
Gaben, wer hätte sie nicht? Talente — Spielzeug für Kinder,
Erst der Ernst macht den Mann, erst der Fleiß das Genie.

Doch nicht! meinten die Kenner, und ihr romantischer Geschmack für ausgelebte Kulturen,
dazu ihr feiner künstlerischer Zeitinstinkt hoben aus der einheitlich nicht zu meisternden Masse
den jungen Menzel empor, den Menzel der Biedermeier-Interieurs, der frühen Landschaften und
der Kugler-Holzschnitte, dessen unbewußte Genialität sie der klaubenden Virtuosität des Alten
entgegenstellten. Genie ist unbewußte Offenbarung der Persönlichkeit, der Fleiß kann dem Genie
sogar gefährlich werden, exemplum docet — so riefen sie. Gespalten in ein junges Genie und einen
alten Philister erschien Menzel auf der ersten Etappe der Unsterblichkeit. Ein Konvolut von Jugend-
briefen gab der neu gewonnenen Vorstellung auch den gewichtigen psychologischen Halt. Eine
Zartheit des Empfindens, eine Herzlichkeit des Gefühls offenbarten sie von dem jungen Dreißiger,
zu der die kurzangebundene Barschheit des in die hohen und höchsten Semester Gelangten in fast
rätselhaftem Gegensatz verharrte.

Dürfen wir uns bei dieser Vorstellung beruhigen? Entspricht es den Tatsachen, daß diese fest
geschlossene Persönlichkeit ein künstlerisches Doppelwesen in sich beherbergt, und, ist es der
Fall, wo ist der Angelpunkt zu finden, um den sich die Achse dieses nur der Kunst gehörenden
Lebens rastlos geschwungen hat?

Von den Berlinern hat man behauptet (unbedingt das Schmeichelhafteste, was je über sie
gesagt worden ist), sie hätten alle einen kleinen alten Fritz im Leibe. Nichts paßt so gut wie dies
auf Menzel, der wie die meisten, vor allem die »Kunst-Berliner« — man denke an Rauch, Schinkel,
Blechen, Krüger, von den vielen zweiten Ranges ganz zu schweigen — auch darin echter Berliner
war, daß er von außerhalb erst zuwanderte. An Friedrich dem Großen hat Menzels Genie deshalb



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