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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 40.1917

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Guglia, Eugen: Die Porträtsammlung der Fürstin Melanie Metternich
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https://doi.org/10.11588/diglit.3628#0126
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Abb. 29. Dafflnger: Milosch Obrenowitsch.

Nur halb den Franzosen zuzuzählen ist der
Herzog von Beaufort; er erscheint im Tagebuch
unserer Fürstin einmal, im Herbst 1838, bei der
Krönung Kaiser Ferdinands zum lombardischen
König in Mailand; er ist auffallend sowohl durch
seine eigentümlich rätselhafte, kummervolle Phy-
siognomie, an der die zerrauften Haare wohl auch
ihren Anteil haben, wie durch seine malerische
Eleganz: dunkelgrauer Rock mit Samtkragen, tief
ausgeschnittene Weste, große blaue, die Brust
deckende Krawatte mit grüner Nadel — so recht
ein Vorwurf für Dafflnger, der auch an den Kleidern
seine Freude hatte.

Von den Engländern sind nur zwei be-
merkenswert: CharlesWilliam StewartVane-
Londonderry (1778 bis 1854; Abb. 26). Es gibt
ein schönes Bild des edlen Lord von Lawrence
aus dem Jahre 1827, wo er in ganzer Figur in der
malerischen Tracht der Hosenbandordensritter
erscheint (Stich in der Fideikommißbibliothek): die Züge sind aber dort wie auch auf unserem Dafflnger
vomJahre 1840 ziemlich leer. Bedeutender präsentiert sich ein Henri Brougham: ein ernstes Gesicht
von fragendem oder klug aufhorchendem Ausdruck. Das Bild ist von J. W. Walton, datiert London,
1. August 1848. Es dürfte wohl ein Sohn oder Neffe des berühmten Staatsmannes Henri Peter Brougham
Baron deVaux sein (1778 bis 1868), dessen Biographie in drei Bänden Lord Campbell, dessen Brief-
wechsel mit König Wilhelm IV. Grey herausgegeben und dem Mignet in seinen »Nouveaux Essais
historiques« ein literarisches Porträt gewidmet hat. Doch ist nicht ausgeschlossen, daß wir den alten
Brougham selbst — er hätte damals schon 70 Jahre gezählt — vor uns haben, denn es ist wahrschein-
licher, daß dieser als sein damals noch ganz unbekannter Neffe (Henry Charles) in das Album gekommen
ist; freilich hätte ihn dann der Maler unerlaubt verjüngt, hier scheint er nicht älter als vierzig.

Rußland ist sehr stark vertreten. Der Name, der auch heute den lautesten Klang hat, ist
der des'späteren Staatskanzlers und eitlen Rivalen Bismarcks um den Ruf des ersten euro-
päischen Staatsmannes, Alexander Gortschakoff (geboren 1798; Abb. 27), der, nachdem er seine
diplomatische Laufbahn als Attache Nesselrodes auf den Kongressen von Laibach und Verona
begonnen, 1824 als Sekretär bei der Botschaft in London, 1829 als Geschäftsträger in Florenz
fortgesetzt, 1832 für einige Jahre der Gesandtschaft in Wien zugeteilt war. An den alten
Gortschakoff erinnert nichts als die Brille; sein Gesicht ist geistvoll und sympathisch. Im
Tagebuch der Fürstin kommt er öfters vor: er erzählte ihr unter anderm einmal, wie entzückt
sich Balzac zu ihm über sie geäußert habe -- er sei vorher sehr eingenommen gegen sie
gewesen. In der politischen Welt spielte er damals noch keine Rolle und seine Biographen
gehen über diese Wiener Episode mit wenigen Worten hinweg. Die wichtigste unter den
russischen Persönlichkeiten war Dimitri Tatistscheff (1767 bis 1845), der den Zaren von
1827 bis 1842 in Wien vertrat. Sowohl auf unserem Bild (von Dafflnger) wie auf dem oben
erwähnten Kriehuberschcn Repräsentationsbild der Sammlung Figdor erscheint er als ein dicker,
aufgeblasener, hohler Dutzenddiplomat. Fürstin Melanie scheint ihn nicht ungern gehabt zu

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