Tuscbskizze.
war es, die Tätigkeit des Bauern in vier Darstellungen der Jahreszeiten und in ebensoviel Allegorien
der Tageszeiten bildlich zu fassen. Dazu kam ein einleitendes Blatt: ein ruhig dastehendes bäuer-
liches Paar — gewissermaßen als die Helden des Ganzen — und ein Intermezzo: die unaufdring-
liche, aber umso ergreifendere Lyrik der sinnend gegen den Baumstamm lehnenden »Hirtin«. Von
allen Darstellungen sind der »Mittag« und der »Herbst« wohl die vollkommensten. Sie sind (nament-
lich die prachtvoll abgerundete Darstellung der Mittagsrast) in immer erneuter Arbeit des Um-
gestaltens geformt und dadurch zu einer kompositioneilen Abgewogenheit und einer Größe des
Stiles gesteigert worden, die heute äußerst selten ist. Leider gibt es auch nicht allzuviele Betrachter,
die Bossert hier voll zu würdigen verstehen. Den Parteigängern der Graphik älteren Schlages sind
derartige Arbeiten meist inhaltlich nicht »interessant« genug und in graphischer Beziehung
viel zu herbe und einfach. Die Anhänger des Neuen werden dagegen nur zu leicht geneigt sein, in
ihnen lediglich die Fortsetzung eines historisch gewordenen Wollens zu sehen, statt darin vielmehr
die selbsterrungene persönlichste Meisterschaft zu erkennen.
Es war dem Künstler vom Schicksal nicht gegönnt, das Werk, in dem seine volle Reife
ihren Ausdruck finden sollte, zu vollenden. Immerhin lagen acht Platten fertig vor, als eine heftige
Lungenentzündung den sonst kräftigen, widerstandsfähigen Mann auf ein wochenlanges, an Peri-
petien reiches Krankenlager warf. Bossert war dem Tode keine leichte Beute. Aber dem bösartig
infektiösen Charakter der 1918 epidemisch auftretenden Krankheit konnte auch sein muskulöser
gestählter Körper auf die Dauer nicht Widerstand leisten. Nach qualvollem Ringen — seine lichten
Augenblicke galten dem Gedanken an sein unvollendetes Werk und an sein ferneres Schaffen —
verschied er am 14. Jänner 1919.
Es war die Tragik dieses Todes, daß eine Laufbahn in dem Augenblicke jäh abgeschnitten
ward, in welchem sie in gewissem Sinne erst eigentlich zu beginnen schien. Bossert war eine
ungewöhnlich spätreife, schwerflüssige Natur. Seine Entwicklung war lange durch äußere Schwierig-
keiten behindert worden, aber auch als er diese besiegt hatte, währte es noch lange, bis er voll-
kommen zu sich selber gelangt war. Freilich lag das, was er zu geben hatte, abseits von den breiten
Landstraßen, auf denen die große Schar seiner Zeitgenossen wandelte. Er war im wahrsten Sinne
des Wortes ein Nachgeborener, ein zu spät gekommener Renaissancemeister, der sich als reifer
Mann langsam erst dasjenige erarbeiten mußte, was er im XV. Jahrhundert als Geselle von seinem
Lehrer mühelos übernommen haben würde. Die Schwierigkeit, aus den zeitgenössischen und den
Bestrebungen früherer Generationen das ihm Konforme herauszulösen, machte ihn vielleicht noch
mehr als die angeborene grüblerische Neigung zum Theoretiker und Experimentierer. Darin mochte
er Marees, seinem eigentlichen künstlerischen Ausgangspunkt, verwandt erscheinen. Worin
er sich jedoch von ihm unterschied, das war sein Verhältnis zum Technischen. Bei Marees lag es
nicht zuletzt an dem Versagen im simpel Handwerklichen, wenn der Charakter des Problematischen,
Experimentierenden in seiner Kunst so stark hervortrat. In dieser Beziehung hat Bossert kaum erheb-
liche Schwierigkeiten gekannt. Er besaß vielmehr in hohem .Maße technisches Geschick und Sicherheit
der Hand. Aber diese beiden Eigenschaften, so nützlich sie an sich besonders für den Graphiker
sein mögen, können auch unter Umständen vom richtigen Wege ablenken und zu öder handwerks-
mäßiger Selbstgenügsamkeit führen. Gegen diese ihm drohende Gefahr hat Bossert, der sie klar
erkannte, heroisch angekämpft. Den Einklang zwischen dem eingeborenen künstlerischen Wollen
und dem überkommenen Rüstzeug der Technik wirklich zu finden war ihm freilich erst in seinen
letzten Jahren beschieden.
Hermann Voss.
war es, die Tätigkeit des Bauern in vier Darstellungen der Jahreszeiten und in ebensoviel Allegorien
der Tageszeiten bildlich zu fassen. Dazu kam ein einleitendes Blatt: ein ruhig dastehendes bäuer-
liches Paar — gewissermaßen als die Helden des Ganzen — und ein Intermezzo: die unaufdring-
liche, aber umso ergreifendere Lyrik der sinnend gegen den Baumstamm lehnenden »Hirtin«. Von
allen Darstellungen sind der »Mittag« und der »Herbst« wohl die vollkommensten. Sie sind (nament-
lich die prachtvoll abgerundete Darstellung der Mittagsrast) in immer erneuter Arbeit des Um-
gestaltens geformt und dadurch zu einer kompositioneilen Abgewogenheit und einer Größe des
Stiles gesteigert worden, die heute äußerst selten ist. Leider gibt es auch nicht allzuviele Betrachter,
die Bossert hier voll zu würdigen verstehen. Den Parteigängern der Graphik älteren Schlages sind
derartige Arbeiten meist inhaltlich nicht »interessant« genug und in graphischer Beziehung
viel zu herbe und einfach. Die Anhänger des Neuen werden dagegen nur zu leicht geneigt sein, in
ihnen lediglich die Fortsetzung eines historisch gewordenen Wollens zu sehen, statt darin vielmehr
die selbsterrungene persönlichste Meisterschaft zu erkennen.
Es war dem Künstler vom Schicksal nicht gegönnt, das Werk, in dem seine volle Reife
ihren Ausdruck finden sollte, zu vollenden. Immerhin lagen acht Platten fertig vor, als eine heftige
Lungenentzündung den sonst kräftigen, widerstandsfähigen Mann auf ein wochenlanges, an Peri-
petien reiches Krankenlager warf. Bossert war dem Tode keine leichte Beute. Aber dem bösartig
infektiösen Charakter der 1918 epidemisch auftretenden Krankheit konnte auch sein muskulöser
gestählter Körper auf die Dauer nicht Widerstand leisten. Nach qualvollem Ringen — seine lichten
Augenblicke galten dem Gedanken an sein unvollendetes Werk und an sein ferneres Schaffen —
verschied er am 14. Jänner 1919.
Es war die Tragik dieses Todes, daß eine Laufbahn in dem Augenblicke jäh abgeschnitten
ward, in welchem sie in gewissem Sinne erst eigentlich zu beginnen schien. Bossert war eine
ungewöhnlich spätreife, schwerflüssige Natur. Seine Entwicklung war lange durch äußere Schwierig-
keiten behindert worden, aber auch als er diese besiegt hatte, währte es noch lange, bis er voll-
kommen zu sich selber gelangt war. Freilich lag das, was er zu geben hatte, abseits von den breiten
Landstraßen, auf denen die große Schar seiner Zeitgenossen wandelte. Er war im wahrsten Sinne
des Wortes ein Nachgeborener, ein zu spät gekommener Renaissancemeister, der sich als reifer
Mann langsam erst dasjenige erarbeiten mußte, was er im XV. Jahrhundert als Geselle von seinem
Lehrer mühelos übernommen haben würde. Die Schwierigkeit, aus den zeitgenössischen und den
Bestrebungen früherer Generationen das ihm Konforme herauszulösen, machte ihn vielleicht noch
mehr als die angeborene grüblerische Neigung zum Theoretiker und Experimentierer. Darin mochte
er Marees, seinem eigentlichen künstlerischen Ausgangspunkt, verwandt erscheinen. Worin
er sich jedoch von ihm unterschied, das war sein Verhältnis zum Technischen. Bei Marees lag es
nicht zuletzt an dem Versagen im simpel Handwerklichen, wenn der Charakter des Problematischen,
Experimentierenden in seiner Kunst so stark hervortrat. In dieser Beziehung hat Bossert kaum erheb-
liche Schwierigkeiten gekannt. Er besaß vielmehr in hohem .Maße technisches Geschick und Sicherheit
der Hand. Aber diese beiden Eigenschaften, so nützlich sie an sich besonders für den Graphiker
sein mögen, können auch unter Umständen vom richtigen Wege ablenken und zu öder handwerks-
mäßiger Selbstgenügsamkeit führen. Gegen diese ihm drohende Gefahr hat Bossert, der sie klar
erkannte, heroisch angekämpft. Den Einklang zwischen dem eingeborenen künstlerischen Wollen
und dem überkommenen Rüstzeug der Technik wirklich zu finden war ihm freilich erst in seinen
letzten Jahren beschieden.
Hermann Voss.