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Abb. 2. Edvard Münch, Krankes Mädchen (1896). Farbige Lithographie.

hinwegsetzte, nahm er dem Innenbild die Resonanz, die Auswirkung und den Abschluß. Die aber
brauchte seine Graphik, die nirgends als flüchtiger Eindruck, als Vorstudie oder Notiz wie zufällig
die Platte füllen möchte, sondern überall als ein vollendetes Werk, als eine endgültige Fassung auf-
trat. Bildideen, die der Künstler viele Jahre schon in sich getragen und die in wechselnder Gestalt
den Weg ins Bild genommen hatten, fließen in die Graphik ein und finden hier schließlich ihre letzte
erschöpfende Lösung. So war das Selbstporträt aus den Zufälligkeiten einer nonchalanten Pose, die
dem gleichzeitigen großen Gemälde (Glaser Abb. 28) noch anhaften, herausgesteigert worden und
auch die Farbenlithographie »Krankes Mädchen« (Sch. 59, Abb. 2) aus Bildvorstellungen, die sich
bis in die früheste Zeit zurückverfolgen lassen. 1885 war die erste Fassung entstanden, die Münch
in dem großen Gemälde »Frühling« (Glaser Abb. 5), das ihm das Reisestipendium für Paris ein-
gebracht hatte, mit reichlicher Milieuschilderung erweiterte. Aber die einfache Fassung ließ ihn
nicht los und er greift noch einmal 1894 in einer Kaltnadelradierung (Sch. 7, Schiefler Abb. 6) auf
sie zurück. Nur das Mädchen im Stuhl, den Kopf ins Kissen gelehnt, und die gebeugte Mutter
daneben. Zwei Jahre später noch einmal ein Gemälde (Glaser Abb. 7): das Thema ist gleich, und
doch bereitet sich in der Bewegung des Mädchens, in der kleinen Drehung des Oberkörpers die
Lösung vor. Die Farbenlithographie bringt sie: das Mädchen allein, nur mehr der Kopf und die
hochgezogenen Schultern; das Kissen ist als heller Grund angedeutet, von dem sich der dunkle
Umriß des Kopfes abhebt. Man fühlt den Totenschädel durch. Erschütternd ist der Ausdruck des

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