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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Tietze-Conrat, Erika: Zur Graphik Georg Mayer-Martons
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0021
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Auch Georg
Mayer-Marton muß-
te, wie alle mußten.
Er wurde Graphiker
wie die anderen. Es
war eine aufrichtige
Liebe zur Natur in
dem Künstler, der er
in diesen ersten Ra-
dierungen Ausdruck
gab; aber die Gestal-
tung derLandschaft,
in die er seine Liebe
einströmen ließ,hatte
er aus der Tradition
genommen. Aus der
guten alten Tradi-
tion. Darum wirkten
diese Blätter hem-
mungslos auf das
breite Publikum ein,
das aufnahmsfreu-
dig war und unbe-
schwert mit künst-

lCl'isChenProblemen. Georg Mayer-Marton, Turm an dem Fluß.

Die Blätter erfüllten so ihre soziale Aufgabe, aber der Künstler selbst denkt heute unwillig an sie zurück.

Das Publikum hat aufgehört zu drängen, es existiert überhaupt nicht mehr. Mayer-Marton lebt
heute wie die anderen Künstler alle für den kleinsten Kreis nur; er ist vereinsamt in seiner Kunst.
Die Gesellschaft verlangt von ihr nicht mehrKompromisse, weil sie überhaupt vom Künstler nichts mehr
verlangt; Mayer-Marton hat jetzt Zeit — die Zeit des Arbeitslosen —, sich auf sich selbst zu besinnen.

Es ist bedeutsam, wie sich — treibend getrieben — dieser Wandel der Zeit in der Kunst
Mayer-Martons auswirkt. Vor mir liegen ältere Arbeiten, z. B. das Kaltnadelblatt »Schlittschuhläufer«
(dieses und ähnliche waren gelegentlich im Hagenbund, dessen Mitglied Mayer-Marton seit 1924
ist, ausgestellt): unzählige kleine Figuren sind in Bewegung, ein tolles Staccato über die Eisbahn
hin, die tiefenräumlich gegeben ist. Der Künstler sieht und notiert seine Umgebung; der einzelne
ist ihm ein Teil des Ganzen, das ein Haufen der einzelnen bleibt. Jeder für sich vorhanden, jeder
wichtig genug. Der Künstler sieht aufmerksam und meldet genau, was er sieht. Und dann später,
von Jahr zu Jahr: die Menschen blassen aus, sie werden unwichtig, sie verschwinden ganz aus dem
Bild. Kaum daß ein Segel noch bleibt als ihre Spur. Und auch das Segel über dem Kahn, nicht von
Menschen gehißt und gerafft, nur wie eine Blume auf dem Wasserspiegel. Und doch wieder nicht
wie eine Blume, die wächst doch auf und lebt . . . Mit den Menschen schwindet auch der Raum,
Tiefe klappt auf zur Fläche. Denn wie der Mensch, so ist auch die Raumtiefe Zusammenhang mit
dem Beschauer. Wie der Mensch ihn anspricht und Antwort will, so lockt ihn die Tiefe, zieht ihn
zu sich in die Ferne, zeigt ihm die kleinen und großen Wunder an dem Wege. Auf den Aquarellen

Radierung.

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