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Glaser, Curt
Die Kunst Ostasiens: der Umkreis ihres Denkens und Gestaltens — Leipzig: Insel-Verl., 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.53086#0164
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DER RAUM

SANSUI, Berge und Wasser, nennt der Japaner
die Landschaft. Berge und Wasser sind die Form-
elemente, die jedes Landschaftsbild enthalten soll.
Sommer und Winter, Morgen und Abend, heim-
segelnde Schiffe, die Glocken ferner Tempel bedeuten
nur Stimmungselemente. Es sind Umschreibungen von
Bildthemen, die Gefühlskomplexe bezeichnen, wie sie
durch den besonderen Klang eines Landschaftsbildes
ausgelöst werden. Aber noch bleibt das letzte, das
Eigentümliche der Landschaft überhaupt, das allen
ihren Sonderformen gemeinsam sein muß.
Ein Maler gibt zehntausend Meilen Landes auf
engumschriebenem Raum, heißt es oft bei den alten
chinesischen Schriftstellern,1 „was nahe scheint, ist
1000 li entfernt“.2 So ist das eigentliche Motiv der
acht Stimmungsbilder von den großen chinesischen
Flüssen die Ferne. Die Glocke des fernen Tempels,
die Schiffe, die fernher Leimkehren, der ferne Zug
der Vögel. Das sind die Namen, und in diesem Sinne
fassen die Maler die Themen. Die Ferne ist die Seele
der Landschaft.
1 Giles S. 25, 31, 85. — 2 Giles S. 87.
lOÖ
 
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