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Glaser, Curt; Cohn, William [Hrsg.]
Die Kunst des Ostens (Band 11): Ostasiatische Plastik — Berlin: Bruno Cassirer Verlag, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.53084#0066
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DIE ESOTERISCHEN SEKTEN

Ausstrahlung jener mächtigen Zentralsonne, die wir in der großen Kunst
des China der frühen T’angzeit nur mehr zu ahnen vermögen.
Hat man ein Recht, das gesamte in Japan erhaltene Material plastischer
Schöpfungen der Tempyözeit, unbeschadet etwaiger spezifischer Abwandlung
im einzelnen, zusammen mit den Denkmälern Koreas und Chinas selbst der
Allgemeinvorstellung ostasiatischer Kunst des 8. Jahrhunderts zugrunde zu
legen, so erwächst das höchst eindrucksvolle Bild einer großen klassischen
Kunst, das sich der Überlieferung von der hohen Blüte der Kultur in dem
Reiche der T’angkaiser aufs beste vereinbart. Noch kommt es weniger darauf
an, Merkmale der Unterscheidung herauszuheben, zumal der Bestand erhaltener
Denkmäler in China und Japan generell zu verschieden geartet ist, um un-
mittelbaren Vergleich fruchtbar werden zu lassen, noch scheint es vielmehr
wesentlicher, Gemeinsamkeit zu betonen, da es gilt, eine Anschauung der
künstlerischen Gesamtleistung zu gewinnen, zu der östliche Kunst auf ihrem
bedeutendsten Kulminationspunkte befähigt gewesen ist.

DIE ESOTERISCHEN SEKTEN
er Versuch einer nationalen Assimilierung des indischen Buddhaglaubens,
der in der klassischen Kunst der frühen T’angzeit seinen natürlichen Aus-
druck gefunden zu haben schien, nahm ein jähes Ende mit dem tiefgreifenden
Umschwung, der das religiöse Leben des Ostens im Verlauf des 8. Jahrhunderts
von Grund auf neu gestaltete. War der Buddhismus bereits ursprünglich nach
China in der mit altindisch brahmanischen Elementen stark durchsetzten Spät-
form des Mahäyäna gelangt, so scheinen die Sekten, die als Träger des Be-
kehrungswerkes in China Eingang fanden, trotz ihrer in manchem einander
widersprechenden Auslegungen der Glaubenssätze, in denen sich der Zerfall
der alten Buddhalehre ankündigte, doch im wesentlichen während der ersten
Jahrhunderte ihres Bestehens auf dem neuen Boden des fernen Ostens mit-
einander in Frieden gelebt zu haben. Im Anfang des 7. Jahrhunderts zuerst
machen sich Spuren der Zersetzung des ursprünglich einheitlichen Glaubens-
systems in den Fehden der Sekten bemerkbar, deren mächtigste Chen-yen
und T’ien-tai gewesen sind.
 
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