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Glatz, Karl Jordan [Editor]
Chronik des Bickenklosters zu Villingen: 1238 bis 1614 — Stuttgart, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.6273#0030
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21

Wie die liebhaberin der tugenten sey zue einer ap-
tissin erwölt worden, das8capitel.

Es begab sich , als disse andechtige dienerin des berren sieb ge-
iebt bette in aller strenigkait und in tugentreicher erfolgung der
füeßstapfen ihres gecreüzigten vorgengers bis in das 36 jar, suechte
gott der allmechtig ihr geliebte, erwürdige frau muotter aptyssin
baim mit einer schweren krankhaft, in wölcher sie nit nach langer
zeit dem herren ihr seel uf geben hat. Nach dissem laidigen abgang
betrachteten die frauen das dugentreiche leben disser ihrer mitschwe-
ster Ursula, erwollten sie mit ainhelliger meinung. an zweifei nit on
sonderliche einsprechung des hailigen gaists, zue einer aptyssin. Dis
hohe ampt fiel diser andechtigen dienerin gar schwer, füerte ein un-
seglicbe klag, aber als ein gehorsamer Isaac ließ sie sich von der
beiligen gehorsame binden zue einem geföligen opfer dem berren.
Also empfieng sie das ampt mit diefer demuet und unzalbaren
heißen zebern und neigte sich willigklicb under disse schwere bürde.
Füeng gleich zum allerersten an aufzuerichten die hailige gemaind
und war selbsten die erste, in solche zue dretten. lehrte ihre under-
gebne schöfflin nit nur mit den Worten, sonder vil mer mit dem
exempel. Niemals befalh sie einer etwas, das sie nit zuevor auch im
werch verricht und erzeigt bette. Sie hanthabet und reformierte
alle gaistlicheit mit einem solchen eüfer. das ir lustig war nach zue
folgen. Sie war den alten frauen, ja gesunden und kranken, also lieb
durch ir exemplarisch leben. dass sie ir in aller gehorsame entgegen
giengen, und nam das closter under ihr vast wol zue an gaistlichen
und zeitlichen. Sie hette ein solche gnadreiche gestalt und angesicht,
das alle, die sie borten, rotten oder ir angesiebt sahen, enpfiengen
ein sonderbare gnadt; dan ir wort waren allzeit langsam, still, sanft
und gnadreich, und alle, die einmal mit ir gerödt, winschen allezeit
mitir zue roden. Sie redet wenig, wie gemelt, und wan sie rettet,
war es nur von gaistlichen [8b] oder des closters nuzbaren sachen.
Niemals hörte man sie ein vergeblich wort rüden; war doch frölich
mit ihren jungen schwesterlin. Aber ir gröste frelikait erzaigte sie,
wan sie von dem bitteren leiden und sterben ihres gesponseu rödet,
oder von iebung und lieblickeit der dugenten. Und wass sie zue
zeiten bey der seiligen Beda gelernet hett, iebte sie albie mit
großer sießigkeit, ' undei wisse auch die jungen schwesterlin,
 
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