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Glatz, Karl Jordan [Hrsg.]
Chronik des Bickenklosters zu Villingen: 1238 bis 1614 — Stuttgart, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.6273#0057
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der, das jar hat sich abermals verloffen und ist nun die zeit komen,
das ich euch solle gehen noch meiner gewohnheit ein gaistlichs guets
jar. Die weil ir albereit das zeitlich von unser liebsten frau muetter
(dazuemal Clara Ermerlein) genomen habt, so koment ir zue mir
als hungerige kinder, und ich, eur unwirtige, doch unvermögliche
muetter, solte euch billich on ein brott des gaistlichen drosts nit von
mir lassen. Aber meine liebste kinder, ir wissent wol, dass ein lehrer
spricht: „Depredari desiderat," der mensch begert beraubt zue
werden, der seinen schaz offenbar drögt, darumb ich vil mer ursach
hett zue schweigen, dan zue [21b] reden. Die weil ich aber nit mer
bin, wie ich solt, nemlich vermöglich, jung und euch in gaistlichen und
zeitlichen verstendig, so bitt ich euch, meine liebsten kinder, seht
nit an meine unvolkomne werk, sonder meine guet meinete wort,
und nemet von mir an mein mietterliche lehr in der oder der gleichen
liebe, als ichs zue eüch röde, so wirt es eüch niemals on frucht und
, gaistlichen nuz gerött werden. [I]r wissent one zweifei noch wol, was
ich eüch, vil liebste und mir alle zeit gehorsame kinder, vor einem
jar vir einen gaistlichen kram gebracht, nemlich einen gaistlichen und
kostlichen tempel, den ir, als ich genzlich hoffe, nach eurem vermögen
werdent verwaret und geziert haben. Aber uf dis gegenwürtige jar
wolte ich eüch herzlich gern noch bösser versorgen und begaben,
dan ihr sehet vor den äugen mein Schwachheit und hinflüeßentes
leben. So verhoffe zue gott, es werde nach seinem göttlichen [willen]1
mein sterbliches leben nit mer lang weren. Doch steht es alles bey
ihm: „Fiat voluntas tua"2. Darum, allerliebste kinder, bin ich dahin
gesünet, eüch uf dismal zue einem gaistlichen neyen jar verehren und
geben drey gaistlich, lustig erbauen zeelen, allen in gemein und ied-
wederer in Sonderheit, und disse mein gab sol eüch lieb sein zue ewigen
zeiten, also dass ir und euwere nachkömling niemals kein andere
zeel in dissem gegenwärtigen armen Sant-Glaracloster wölent oder
sollent bauen. Dan sicher glaubent mir, meine kinder, das uns an-
dere beschlossne und sehen erbauen zeelen ganz nit gebüren nach dem
exempel unsers allerliebsten gesponsen, auch unser allerhailigisten
muetter sant Ciaren. Dan sy sein zuewider der hailigen armuet
der volkomenheit nach, sie sein zuewider der heiligen gemaind und
in suma, sie seind ein anfang uud ursach der aigenthumlichcn hoffart

1 Fehlt in der hs. 2 Iis. Ums.
 
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